Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen

Gesetzliche Grundlagen

§ 22 Abs. 3 StG
§ 46 Abs. 1 StG
§ 27 Abs. 1 VV StG
Art. 17 Abs. 2 DBG
Art. 37 DBG

Weitere Grundlagen

  • Kreisschreiben Nr. 1 (2003) der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 3.10.2002, Die Abgangsentschädigung resp. Kapitalabfindung des Arbeitgebers.


Inhalt

1             Begriff der Kapitalabfindung

2             Kapitalabfindung für wiederkehrende Leistungen

2.1          Allgemeines

2.2          Beispiele

2.2.1       Invalidenversicherung (IV)

2.2.2       Schadens- / Vergütungszins

2.2.3       Lidlohn

3             Kapitalabfindung bei Beendigung eines Dienstverhältnisses

3.1          Grundsätze

3.2          Beispiele

3.2.1       Keine definitive Erwerbsaufgabe, Sozialplan

3.3          Keine definitive Erwerbsaufgabe

3.3.1       Definitive Erwerbsaufgabe

4             Direkte Bundessteuer


1             Begriff der Kapitalabfindung

Kapitalabfindungen stehen begrifflich im Gegensatz zu den Kapitalleistungen. Der Begriff der Kapitalabfindungen wird grundsätzlich im Zusammenhang mit wiederkehrenden Leistungen (§ 46 Abs. 1 StG) verwendet. Hingegen wird der Begriff der Kapitalleistung im Zusammenhang mit Vorsorgeleistungen gebraucht (§ 30 StG).

Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen oder Kapitalabfindungen bei Beendi-
gung eines Dienstverhältnisses werden unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte und der zulässigen Abzüge zu dem Steuersatz berechnet, der sich ergäbe, wenn anstelle der ein-
maligen Einkünfte eine entsprechende jährliche Leistung ausgerichtet würde (§ 46 Abs. 1 StG). Hingegen werden Kapitalleistungen aus beruflicher und gebundener Vorsorge oder bei Tod oder für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile gesondert besteuert (§ 47 Abs. 1 StG)

2            Kapitalabfindung für wiederkehrende Leistungen

2.1         Allgemeines

Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen sind einmalige Vermögenszugänge, die dazu bestimmt sind, einen Anspruch auf bestehende oder künftige wiederkehrende Leistungen zu tilgen. Aperiodisch fliessende Einkünfte sind keine Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen, sondern einfach unregelmässig fliessende Einkünfte (Richner/
Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar DBG, Art. 37 N 8). Nur diejenigen Kapital-
abfindungen, die periodische, über die Bemessungsperiode hinaus erfolgende Leistungen ersetzen, fallen darunter. Die abgegoltenen Ansprüche müssen sich also auf mehr als eine Steuerperiode erstrecken.

Mit solchen Kapitalabfindungen können einerseits zukünftige wiederkehrende Leistungen abgegolten werden. Anderseits gehören zu den Kapitalabfindungen auch einmalige Ver-
mögenszugänge, mit denen aufgelaufene, in der Vergangenheit begründete Teilleistungen abgegolten werden. Vorausgesetzt wird dabei kumulativ, dass erstens durch die Einmal-
zahlung ein Anspruch auf (sonst) wiederkehrende Leistungen getilgt wird und zweitens die wiederkehrenden Zahlungen ohne Zutun des Steuerpflichtigen unterblieben sind.

2.2         Beispiele

2.2.1      Invalidenversicherung (IV)

Eine Nachzahlung von Invalidenrenten ist als Einkunft aus einer Invalidenversicherung zu versteuern (§ 29 Abs. 1 StG).

Solche Nachzahlungen von Invalidenrenten werden zusammen mit dem übrigen Einkommen besteuert. Für die Satzbestimmung ist die Nachzahlung, wenn sie für mehr als ein Jahr ausge-
richtet wird, in eine Jahresrente umzurechnen (§ 46 StG, Art. 37 DBG; vgl. StB SO § 22 Nr. 3).

Beispiel 1

Sachverhalt

X erzielt im Jahr 2022 ein übriges Einkommen von CHF 10‘000, bekommt ab dem 1.3.2022 eine monatliche Rente von CHF 1’500 und erhält am 4.3.2022 eine Nachzahlung der IV für den Zeitraum vom 1.7.2020 – 28.2.2022 von insgesamt CHF 24'000.

Die IV-Nachzahlung setzt sich wie folgt zusammen:

01.07.2020 - 01.12.2020   (6 x 1'000) 6'000  
01.01.2021 - 31.12.2021   (12 x 1'250) 15'000  
01.01.2022 - 28.02.2022   (2 x 1'500) 3'000  
Total 24'000  
     
Lösung    
  steuerbar satzbestimmend*
übriges Einkommen 10'000 10'000
IV-Rente ab dem 1.3.2022 15'000 15'000
Kapitalabfindung IV 24'000 14'400
  (24'000/20x12)
49'000 39'400

*Die Berechnung des satzbestimmenden Einkommens stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGer 2A_118/2006; BGer 2C_487/2014; BGer 2C_415/2015) und gilt ab der Steuerperiode 2022.


Beispiel 2

Sachverhalt

X erzielt im Jahr 2022 ein übriges Einkommen von CHF 10‘000, bekommt ab dem 1.11.2022 eine monatliche Rente von CHF 1’500 und erhält am 6.12.2022 eine Nachzahlung der IV für den Zeitraum vom 1.7.2020 – 31.10.2022 von insgesamt CHF 36'000.

Die IV-Nachzahlung setzt sich wie folgt zusammen:

01.07.2020 - 31.12.2020    (6 x 1'000) 6'000  
01.01.2021 - 31.12.2021    (12 x 1'250) 15'000  
01.01.2022 - 31.10.2022    (10 x 1'500) 15'000  
Total 36'000  
     
Lösung    
  steuerbar satzbestimmend*
übriges Einkommen 10'000 10'000
IV-Rente ab dem 1.11.2022 3'000 3'000

Kapitalabfindung IV

36'000 15'429
(36'000/28x12)
  49'000 28'429

*Die Berechnung des satzbestimmenden Einkommens stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGer 2A_118/2006; BGer 2C_487/2014; BGer 2C_415/2015) und gilt ab der Steuerperiode 2022.

2.2.2      Schadens- / Verzugszins

Der Schadens- oder Verzugszins stellt steuerbaren Vermögensertrag dar, der zusammen mit dem übrigen Einkommen zu versteuern ist (§ 26 Abs. 1 lit. a StG). Das gilt sowohl für den Zins auf dem Schadenersatz, ungeachtet ob die Schadenersatzleistung steuerbar ist oder nicht, als auch für den Genugtuungszins (Urteil BG 2A.743/2005 vom 4. Juli 2006; RICHNER/FREI/
KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 20 N 31).

Für die Bestimmung des Steuersatzes ist der Zins durch die Anzahl Jahre zwischen dem Schadenereignis und der Auszahlung zu dividieren (§ 46 StG).

2.2.3      Lidlohn

Nach Art. 334 Abs. 1 ZGB können volljährige Kinder oder Grosskinder, die ihren Eltern oder Grosseltern im gemeinsamen Haushalt ihre Arbeit oder ihre Einkünfte zugewendet haben, hierfür eine angemessene Entschädigung verlangen. Der Lidlohn ist ein einmaliges Entgelt für Leistungen, die der Berechtigte über mehrere Jahre erbracht hat.

Für die Bestimmung des Steuersatzes wird der Lidlohn durch die Anzahl Arbeitsjahre geteilt (in der Regel kann bei der Anzahl Arbeitsjahr vom 18. Altersjahr gerechnet werden).

3            Kapitalabfindung bei Beendigung eines Dienstverhältnisses

3.1         Grundsätze

Wurden Abgangsentschädigungen früher gemäss Art. 339b OR vor allem älteren, lang-
jährigen Mitarbeitenden entrichtet, um ihnen eine minimale Altersvorsorge zu gewähr-
leisten, werden diese heute insbesondere an Führungskräfte mit einer bereits guten Altersvorsorge bezahlt.

Die vom Arbeitgeber bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgerichteten Abgangsentschädigungen können verschiedene Gründe haben (z.B. "Schmerzensgeld" für die Entlassung, Treueprämie für langjährige Dienstverhältnisse, "Risikoprämie" für die persönliche Sicherheit und berufliche Zukunft, Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen, Vorruhestandregelungen, d.h. Ausgleich allfällig entstehender Lücken oder langfristiger Einbussen in der beruflichen Vorsorge usw.). Oft handelt es sich um pauschale Abfindungs-
summen, deren Zweckbestimmung unklar ist. Es ist daher der wahre Charakter der Abgangs-
entschädigung festzustellen, wann eine Abgangsentschädigung Vorsorgecharakter hat und wann sie Ersatzeinkommen darstellt. Soweit keine eindeutige Einordnung der Entschädigung vorgenommen werden kann, ist von einem Ausschluss der Anwendung von § 46 Abs. 1 StG auszugehen (Ivo P. Baumgartner, in: Zweifel / Athanas, DBG, Art. 37 N 12).

Soweit die Kapitalabfindung des Arbeitgebers einem Ausgleich von zu tiefen Löhnen in der Vergangenheit dient oder Ersatz für künftige, entgehende Löhne ist, rechtfertigt sich eine Reduktion des Steuersatzes. Dabei muss aber eine Lohneinbusse eintreten und die Zeit-
spanne, für welche die Entschädigung ausgerichtet wird, muss definiert sein. Dient die Zahlung als Hilfe zur Umgestaltung der beruflichen Laufbahn, kann sie nicht als Kapital-
abfindung im Sinne von § 46 StG angesehen werden (Ivo P. Baumgartner, in: Zweifel / Athanas, DBG, Art. 37 N 12).

Das Steuergericht hat mit Urteil SGSTA.2016.105 vom 12. Juni 2017 seine bisherige Praxis aufgegeben, wonach eine Umrechnung der Abgangsentschädigung für die Bestimmung des satzbestimmenden Einkommens nur möglich ist, wenn der ausbezahlte Betrag höher als ein Jahreseinkommen ist (Urteil KSG SGSTA.2011.55 vom 19. September 2011). Sind die vor-
stehenden Voraussetzungen für eine Umrechnung erfüllt, ist folglich unabhängig von der Höhe der Abgangsentschädigung diese für die Berechnung des satzbestimmenden Ein-
kommens umzurechnen. Eine Umrechnung ist indessen nur möglich, wenn klar ist, für welchen Zeitraum die Abgangsentschädigung ausgerichtet wird (z.B. bei vorzeitiger Pensionierung als Überbrückung bis zum Erreichen des ordentlichen, reglementarischen Rentenalters oder für die Dauer des Konkurrenzverbotes).

3.2         Beispiele

3.2.1      Keine definitive Erwerbsaufgabe, Sozialplan

X, 45-jährig, erhält infolge Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Sozialplans CHF 30‘000 von seinem Arbeitgeber. Die Höhe der Abgangsentschädigung war abhängig vom Alter des Steuerpflichtigen, von den Dienstjahren und von der Anzahl der unterstützungs-
pflichtigen Kinder. Das übrige Reineinkommen beträgt CHF 100'000. 

Lösung

Die Abfindung war gemäss Sozialplan nicht als Zahlung gedacht, die eine klar definierte Lohneinbusse ausgleichen soll, sondern als allgemeine Hilfe für mögliche, mit der Entlassung verbundene wirtschaftliche Schwierigkeiten (KSGE 2014 Nr. 7). 

  steuerbar satzbestimmend
übriges Einkommen 100'000 100'000
Kapitalabfindung 30'000 30'000
  130'000 130'000

 

3.3         Keine definitive Erwerbsaufgabe

X, 45-jährig, bisheriger Jahreslohn CHF 200‘000, erhält bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung von CHF 150'000. Sie stellt eine Abgeltung dar für die erschwerte Stellen-
suche und allfällige künftige Lohneinbussen infolge des dreijährigen Konkurrenzverbots, das er im Arbeitsvertrag eingegangen ist. Nach 9 Monaten tritt er eine neue Stelle an. Das übrige Reineinkommen beträgt CHF 180'000.

Lösung

  steuerbar satzbestimmend  
übriges Einkommen 180'000 180'000  
Kapitalabfindung 150'000

50'000
(150'000/3)

 

  330'000 230'000  

3.3.1      Definitive Erwerbsaufgabe

Vgl. Beispiele im StB SO § 22 Nr. 3.

 

4             Direkte Bundessteuer

Die Lösung bei der direkten Bundessteuer ist identisch bei Kapitalabfindungen für wieder-
kehrende Leistungen, nicht aber bei der Beendigung eines Dienstverhältnisses. Vgl. dazu StB SO § 22 Nr. 3.