Vertretung

Gesetzliche Grundlagen
§ 133 StG
§ 50 VV StG
Art. 117 DBG
Art. 118 DBG

Weitere Grundlagen
Kreisschreiben der ESTV Nr. 30 vom 21. Dezember 2010, «Ehepaar- und Familienbesteuerung nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG)»

 

1    Allgemeines

1.1     Gesetzliche Vertretung
1.2     Vertragliche Vertretung
1.3     Zugelassene Vertreter 
1.3.1  Zur Vertretung zugelassene Personen
1.3.2  Vollmacht
1.3.3  Zustellung von Verfügungen und Entscheiden
1.4     Bezeichnung eines Vertreters in der Schweiz (Notwendige Vertretung)
2        Direkte Bundessteuer


Allgemeines

Es gibt drei Arten von Vertretungen: die gesetzliche Vertretung, die vertragliche und die notwendige Vertretung, wobei es sich bei der notwendigen Vertretung ebenfalls um eine vertragliche Vertretung handelt. Der weitaus häufigste Fall ist die vertragliche Vertretung. Es handelt sich dabei um eine Vertretung nach Art. 32 OR (Auftragsverhältnis). Der vertragliche Vertreter handelt anstelle und mit Wirkung für die von ihm vertretene Person. Grundsätzlich ist jedermann zur vertraglichen Vertretung berechtigt. Die Person, die die Vertretung ausübt, darf vor allen Instanzen auftreten und alle Handlungen vorneh-men, soweit nicht eine persönliche Mitwirkung der steuerpflichtigen Person notwendig ist. 


1.1    Gesetzliche Vertretung 

Im Gegensatz zur Bundesregelung enthält die kantonale Regelung auch Hinweise zur Ver-tretung von minderjährigen Kindern. Nach § 133 Abs. 1 StG gilt der Grundsatz, dass minderjährige Kinder durch den Inhaber der elterlichen Sorge vertreten werden (gesetzliche Vertretung). Das Vermögen von Kindern wird den Eltern zugerechnet. Diese haben es in ihrer Steuererklärung zu deklarieren. In Ausnahmefällen werden minderjährige Kinder selbständig steuerpflichtig. Dies ist der Fall für das Erwerbseinkommen (aus unselbständi-ger oder selbständiger Tätigkeit) bzw. das Erwerbsersatzeinkommen (wie Taggelder aus Arbeitslosen-, Kranken-und Unfallversicherung, eigene IV-Renten) des unter elterlicher Sorge stehenden Minderjährigen. Für diese Erwerbs-und Erwerbsersatzeinkommen ist das Kind selbständig steuerpflichtig (§14 Abs. 3 lit. a StG), denn das Erwerbseinkommen steht unter seiner eigenen Verwaltung und Nutzung (Art. 323 Abs. 1 ZGB). Kein Erwerbseinkommen stellen Entschädigungen für Dienstleistungen minderjähriger Kinder im elterli-chen Betrieb dar (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 9 N 57), wenn diese Entschädigungen nicht als geschäftsmässig begründeter Aufwand anerkannt werden können. Das trifft u.a. bei Leistungen zu, die kein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit der Kinder darstellen (Urteil des BGer vom 8. Mai 1979 in ASA 49, 275). Ebenfalls selbständig steuerpflichtig ist das minderjährige Kind für Grundstückgewinne, die es aus dem Verkauf eigner Liegenschaften erzielt (§ 14 Abs. 3 lit. a StG; vgl. hierzu StB SO § 14 Nr. 2 Ziff.  5.2). 
Minderjährige, die eine Lehre beginnen und somit über ein regelmässiges Einkommen verfügen, sind grundsätzlich selbständig steuerpflichtig. Der Lehrlingslohn muss somit nicht von den Eltern in deren Steuererklärung angegeben werden. In der Regel ist der Lehrlingslohn relativ tief, so dass er in den meisten Fällen steuerfrei bleibt. Im Kanton So-lothurn ist ein Einkommen bis CHF 12'000 steuerfrei (§ 44 Abs. 1 StG) und beim Bund bis CHF 14’500 (Art. 36 DBG). 
Vollwaisen unterliegen der selbständigen Besteuerung, wobei sie im Veranlagungsverfah-ren vom Vormund vertreten werden. Bei Halbwaisen dagegen ist die Waisenrente vom überlebenden Elternteil zu versteuern. 
Weiter regelt § 133 Abs. 1 StG die Vertretung des Mündels durch den Vormund. In Steu-erangelegenheiten nicht selbst handeln können Personen, die unter umfassender Bei-standschaft oder Mitwirkungsbeistandschaft stehen. Hingegen wird durch die Errichtung einer Begleit- oder Vertretungsbeistandschaft die Handlungsfähigkeit der steuerpflichtigen Person nicht berührt (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, VB zu Art. 102-146 N 12 ff.).


1.2    Vertragliche Vertretung 

Die vertragliche Vertretung ist vor allen Steuerbehörden, also sowohl Verwaltungs- wie auch Justizbehörden, möglich. Es besteht jedoch kein Vertretungszwang, d.h. es ist niemand verpflichtet, sich vertreten zu lassen. Eine Vertretung ist nur ausgeschlossen, wenn die persönliche Mitwirkung der steuerpflichtigen Person erforderlich ist, so beispielsweise bei der Unterzeichnung der Steuererklärung oder bei einer mündlichen Einvernahme. 
Die vom vertraglichen Vertreter vorgenommenen Handlungen werden der vertretenen Person zugerechnet. Er hat somit auch eine steuerstrafrechtliche Verantwortlichkeit. So kann er nicht nur als Anstifter oder Gehilfe, sondern auch als Täter bestraft werden, wenn er im Rahmen seiner Vertretung die Hinterziehung selber bewirkt oder daran mitwirkt (MARTIN ZWEIFEL/SILVIA HUNZIKER, in: ZWEIFEL/BEUSCH, N 3 zu Art. 117 DBG). 


1.3    Zugelassene Vertreter

1.3.1    Zur Vertretung zugelassene Personen


Als vertraglicher Vertreter wird zugelassen, wer handlungsfähig ist. Dies muss nicht zwingend eine natürliche Person sein, sondern kann auch eine juristische Person, beispielswei-se eine Treuhandgesellschaft, sein. Die für die juristische Person handelnden Personen müssen jedoch die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen genau gleich wie natürliche Personen erfüllen. Für die Ausübung der Vertretung ist die volle Handlungsfähigkeit nach Art. 12 ZGB erforderlich. Beschränkt handlungsfähige Personen sind zur Vertretung nicht zuzulassen (MARTIN ZWEIFEL/SILVIA HUNZIKER, in: ZWEIFEL/BEUSCH, N 5 ff. zu Art. 117 DBG). Nicht notwendig dagegen ist ein Ausweis über die fachliche Befähigung. Es muss also weder ein Anwalt noch ein Treuhänder oder Steuerexperte sein, sondern der Steuerpflichtige darf als Vertreter auch seinen Nachbarn oder einen Verwandten oder Bekannten oder sonst jemanden beauftragen. 


1.3.2    Vollmacht

Der vertragliche Vertreter muss sich in jedem Fall mit einer schriftlichen Vollmacht aus-weisen. Wird trotz behördlicher Aufforderung keine Vollmacht eingereicht, so gilt das Vertretungsverhältnis als nicht bestehend. Bei zur Berufsausübung zugelassenen Anwälten und gesetzlichen Vertretern (z.B. Eltern für ihre minderjährigen Kinder, Beistände) ist grundsätzlich keine schriftliche Vollmacht nötig, oft weisen sich solche Vertreter durch Aktenbesitz aus. Das Steueramt ist jedoch berechtigt, auch hier eine Vollmacht zu verlangen (§ 133 Abs. 3 StG). Handelt ein vertraglicher Vertreter ohne Vollmacht, so sind seine Rechtshandlungen nur dann wirksam, wenn sie von der steuerpflichtigen Person im Nachhinein ausdrücklich oder stillschweigend zugelassen werden (MARTIN ZWEIFEL/SILVIA HUNZIKER, in: ZWEIFEL/BEUSCH, N 16 zu Art. 117 DBG). 


1.3.3    Zustellung von Verfügungen und Entscheiden

Ist der Steuerpflichtige vertreten und liegt eine schriftliche Vollmacht für das Vertre-tungsverhältnis vor, so sind sämtliche Verfügungen und Entscheide, die die steuerpflich-tige Person betreffen, dem Vertreter zu eröffnen. Die Eröffnung gilt als mangelhaft, wenn sie an den Steuerpflichtigen anstatt an den Vertreter erfolgt. Dem Steuerpflichtigen darf aus der fehlerhaften Eröffnung kein Mangel erwachsen (MARTIN ZWEIFEL/SILVIA HUNZI-KER, in: ZWEIFEL/BEUSCH, N 28 zu Art. 117 DBG).
Hingegen wird eine Mahnung wegen Nichtabgabe der Steuererklärung der steuerpflichtigen Person und nicht dem (nichthandelnden) Vertreter zugestellt, ansonsten die steuer-pflichtige Person bei Nichteinreichung der Steuererklärung nicht gebüsst werden kann.


1.4    Bezeichnung eines Vertreters in der Schweiz (Notwendige Vertretung) 

Auf Verlangen der Steuerbehörden hin hat der Steuerpflichtige mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland einen vertraglichen Vertreter in der Schweiz zu bezeichnen. Es handelt sich hierbei um eine sogenannt notwendige Vertretung. Bei im Ausland ansässigen Personen gehört es zu den Verfahrenspflichten, einen Vertreter in der Schweiz zu bezeichnen. Diese Regelung kommt daher, dass aus völkerrechtlichen Gründen keine Amtshandlungen im Ausland vorgenommen werden dürfen. Bei der Zustellung von Verfügungen und Entscheiden handelt es sich um Amtshandlungen. Aus diesem Grund kommt die Pflicht, ein Zustelldomizil in der Schweiz zu bezeichnen, nicht nur im Steuerrecht, sondern auch in diversen anderen Gesetzen vor. 
Voraussetzung der notwendigen Vertretung ist der Sitz oder Wohnsitz des Steuerpflichti-gen im Ausland. Ein nur vorübergehender, wenn auch längerdauernder Auslandaufenthalt, genügt nicht. Es muss zivilrechtlich Wohnsitz oder Sitz begründet worden sein. Die Steuerbehörde kann eine notwendige Vertretung anordnen. Sie kann die Verfügung auch durch Publikation im Amtsblatt eröffnen. Die Aufforderung der Steuerbehörde, einen Vertreter in der Schweiz zu bezeichnen, stellt eine Zwischenverfügung dar und kann da-her korrekterweise dem Steuerpflichtigen nur durch Publikation im Amtsblatt eröffnet werden. In der Praxis wird sie in den meisten Fällen dem Steuerpflichtigen ins Ausland zugestellt, was zwar völkerrechtswidrig ist, aber dennoch eine gültige Zustellung darstellt (MARTIN ZWEIFEL/SILVIA HUNZIKER, in: ZWEIFEL/BEUSCH, N 1 ff. zu Art. 118 DBG).
Beim Vertreter, den der Steuerpflichtige bezeichnen muss, handelt es sich um einen ver-traglichen Vertreter. Es gilt somit die unter Ziffer 1.3.1 genannte Voraussetzung der vol-len Handlungsfähigkeit. Die Vertretungsbefugnis muss nicht umfassend sein, sondern kann sich auch nur auf das Zustelldomizil beschränken. Ziel ist die Gewährleistung der Zu-stellung von Verfügungen und Entscheiden in der Schweiz. 

 

2    Direkte Bundessteuer

Die Regelung bei der direkten Bundessteuer entspricht weitgehend derjenigen bei der Staatssteuer. Dort, wo es Abweichungen gibt, wurde im obigen Text darauf eingegangen. Lediglich bezüglich der Vertretung von Kindern (§ 133 Abs. 1 StG) gibt es auf Bundesebe-ne keine entsprechende Regelung. Zudem ist § 133 Abs. 3 StG ausführlicher als Art. 117 Abs. 2 DBG, indem § 133 Abs. 3 StG noch explizit erwähnt, dass sich Anwälte und gesetz-liche Vertreter nicht ausweisen müssen.