Steuerbegründende Veräusserungen
- § 49 Nr. 1 Version vom 26.09.2017 (pdf, 232 KB)
Gesetzliche Grundlagen
§ 49 StG
§ 49 VV StG
Inhalt
1 Allgemeines
2 Wirtschaftliche Handänderungen
3 Steuersystematische Veräusserung
4 Belastung mit Dienstbarkeiten und öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen
5 Zahlung für Sachschäden
1 Allgemeine
Die Grundstückgewinnsteuerpflicht wird durch jede Veräusserung eines Grundstücks begründet (§ 49 Abs. 1 StG). Als Veräusserung gilt in erster Linie die zivilrechtliche Übertragung des Eigentums an einem Grundstück auf einen Dritten, sei dies durch Rechtsgeschäft, behördliche Verfügung oder richterliches Urteil. In Betracht fallen grundsätzlich die Rechtsgeschäfte Kauf, Tausch und die Eigentumsübertragung in der Zwangsverwertung inkl. Konkurs und Nachlassvertrag oder durch Enteignung. Die Besonderheit beim Tausch besteht in der Tatsache, dass der Erlös für das eine Grundstück im Wert des anderen Grundstücks besteht (eingehender dazu StB SO § 54 Nr. 1). Weitere Veräusserungstatbestände wie Schenkung, Erbteilung oder güterrechtliche Auseinandersetzung, welche die Steuerpflicht ebenfalls begründen könnten, lösen gemäss besonderer gesetzlicher Regelung die Besteuerung generell oder unter bestimmten Voraussetzungen nicht aus (Steueraufschub; siehe StB SO § 50 Nr. 1).
Aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift gelten zudem wirtschaftliche und steuersystematische Tatbestände als steuerbegründende Veräusserung (§ 49 Abs. 2 StG).
Da grundsätzlich jede Veräusserung eines Grundstücks die Steuerpflicht begründet, wird jeder Gewinn für sich besteuert. Eine Zusammenrechnung der Gewinne aus mehreren Veräusserungsgeschäften (z.B. innerhalb eines Jahres) ist deshalb nicht vorgesehen. Folgerichtig ist auch die Verrechnung mit Verlusten aus der Veräusserung eines andern Grundstücks im gleichen Jahr ausgeschlossen.
2 Wirtschaftliche Handänderungen
Hauptanwendungsfälle bilden Rechtsgeschäfte, die in Bezug auf die Verfügungsgewalt über ein Grundstück wirtschaftlich wie eine Veräusserung wirken (§ 49 Abs. 2 lit. a StG). Als wirtschaftliche Handänderung wird der Wechsel der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein Grundstück verstanden, ohne dass zivilrechtlich das Eigentum übergeht. Als solche gelten nach § 29 VV StG insbesondere die in § 206 StG genannten steuerbaren Handänderungen, darunter namentlich die Übertragung von Beteiligungsrechten an Immobiliengesellschaften (§ 206 Abs. 1 lit. d StG).
Als Immobiliengesellschaft gilt eine juristische Person, deren ausschliesslicher oder vorwiegender Zweck es ist, Grundstücke zu erwerben, zu verwalten, zu nutzen und zu veräussern (BGE 104 I a 253 = ASA 48, 644). Sofern sich der statutarische Zweck nicht darauf beschränkt, sondern auch einen betrieblichen oder gewerblichen Zweck (Produktion, Handel, Dienstleistung usw.) nennt, ist auf die tatsächliche Geschäftstätigkeit abzustellen. Eine Immobiliengesellschaft liegt dann vor, wenn die Gesellschaft keine oder eine bloss unbedeutende betriebliche Tätigkeit entfaltet, sich der Rohertrag zur Hauptsache aus Erträgen des unbeweglichen Vermögens zusammensetzt und auch die Aktiven zur Hauptsache aus Grundbesitz bestehen (KSGE 1986 Nr. 23, 2003 Nr. 1).
Eine wirtschaftliche Handänderung an den der Gesellschaft gehörenden Grundstücken tritt ein, wenn die Mehrheit der Beteiligungsrechte veräussert wird. Massgebend ist die Mehrheit der Stimmrechte (nicht des nominellen Kapitals). Eine steuerbare Veräusserung liegt auch vor, wenn mehrere gemeinsam handelnde Minderheitsbeteiligte, die zusammen über eine Mehrheit der Stimmrechte verfügen, zusammenwirken und ihre Beteiligungen an die gleiche Person oder an mehrere ebenfalls zusammenwirkende Personen übertragen (BGE 103 Ia 159; Urteil KSG vom 02.04.1990 = Steuerpraxis 1990 Nr. 14). Erforderlich ist die Übertragung der Mehrheit; das ist nicht der Fall, wenn ein Aktionär, der bisher mit 40 % beteiligt war, von einem andern Aktionär weitere 20 % der Aktien hinzuerwirbt. Es liegt keine wirtschaftliche Handänderung vor (KRKE 1983 Nr. 29). Von einer wirtschaftlichen Handänderung ist jedoch auszugehen, wenn in kurzer zeitlicher Abfolge mehrere Minderheitsbeteiligungen, die zusammen eine Mehrheitsbeteiligung ergeben, veräussert werden. Detailliertere Ausführungen über wirtschaftliche Handänderungen im Zusammenhang mit Immobiliengesellschaften, siehe StB SO § 49 Nr. 2.
Ein weiterer Anwendungsfall der wirtschaftlichen Handänderung sind die sogenannten Kettengeschäfte. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, der die Abtretung des Rechts auf Erwerb eines Grundstücks beinhaltet. Grundlage eines Kettengeschäfts ist ein Vertrag (Kaufvertrag, Kaufrechts- oder Rückkaufrechtsvertrag) über eine Liegenschaft. Dem Erwerber wird dabei durch eine sogenannte Substitutionsklausel ausdrücklich das Recht eingeräumt, einen Dritten in seine Rechtsposition eintreten zu lassen. Dieser Dritte hat dann seinerseits die Möglichkeit, das obligatorische Geschäft ins Grundbuch eintragen oder eine weitere daran interessierte Person als möglichen Käufer in den Kaufvertrag eintreten zu lassen. Die Konsequenz, dass dank der Substitutionsklausel mehrere Personen als mögliche Erwerber nacheinander im selben Kaufvertrag auftreten können, bringt dem Geschäft den Namen "Kettengeschäft" oder "Kettenhandel" ein.
Beispiel: Damian Durrer ist Eigentümer des Grundstücks GB Dornach Nr. 1000. Mit öffentlich beurkundetem Kaufrechtsvertrag vom 1. Juli 2012 räumt er Egon Eisenring das Recht ein, das Grundstück während eines Jahres zum Preis von CHF 500'000 zu erwerben. Gemäss Vertrag kann Eisenring sein Recht auf einen Dritten übertragen. Im Frühjahr 2013 findet er in Ferdi Feller einen Interessenten, der bereit ist, ihm für die Abtretung des Kaufrechts CHF 30'000 zu bezahlen. Anschliessend übt Feller das Kaufsrecht aus und erwirbt das Grundstück von Durrer zum Preis von CHF 500'000. Die Übertragung des Kaufsrechts durch Eisenring unterliegt der Grundstückgewinnsteuer (ebenso der Handänderungssteuer).
3 Steuersystematische Veräusserung
Aus steuersystematischen Gründen unterliegt die Überführung eines Grundstücks vom Privat- in das Geschäftsvermögen der Grundstückgewinnsteuer (§ 49 Abs. 2 lit. b StG; zur Abgrenzung von Privat- und Geschäftsvermögen: siehe StB SO § 48 Nr. 2). Wie dort ausgeführt, gelten für Veräusserungsgewinne auf Grundstücken im Privat- und Geschäftsvermögen unterschiedliche Regelungen mit ungleicher Steuerbelastung. Um Über- und Unterbesteuerungen zu vermeiden, ist deshalb beim Wechsel des Steuerregimes über den bisher entstandenen Mehrwert des Grundstücks steuerlich abzurechnen. Würde diese Besteuerung unterbleiben, so könnte bei einer späteren Veräusserung nicht mehr der ganze erzielte Grundstückgewinn, d.h. die Differenz zwischen Anlagewert und Veräusserungserlös, besteuert werden; zur Besteuerung würde vielmehr nur noch die Differenz zwischen dem Wert, zu dem das Grundstück in das Geschäftsvermögen eingebracht und aktiviert wurde, und dem Veräusserungserlös gelangen.
Beispiel: Gabi Gerber, Rechtsanwältin im Anstellungsverhältnis, war durch Erbschaft Eigentümerin einer älteren Stockwerkeinheit in Altstadtnähe geworden, die sie bisher vermietet hatte. Nun kündigt sie das Mietverhältnis, um in der Eigentumswohnung eine eigene Anwaltspraxis zu eröffnen. Die Wohnung dient neu ausschliesslich oder überwiegend der Anwaltskanzlei und wird deshalb in das Geschäftsvermögen überführt. Wie der Grundstückgewinn bei der Überführung in das Geschäftsvermögen zu berechnen ist, wird in StB SO § 54 Nr. 1 näher ausgeführt.
4 Belastung mit Dienstbarkeiten und öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen
Nach § 49 Abs. 2 lit. c StG wird die Steuerpflicht begründet durch die Belastung eines Grundstückes mit privatrechtlichen Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen, wenn diese die unbeschränkte Bewirtschaftung oder den Veräusserungswert des Grundstückes dauernd und wesentlich beeinträchtigen und dafür ein Entgelt entrichtet wird. Diese drei Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Dann liegt eine Aufspaltung der Eigentumsrechte vor, die wirtschaftlich zu einer Teilveräusserung des Grundstücks führt.
Die Belastung kann sowohl durch Grunddienstbarkeiten erfolgen, d.h. zu Gunsten eines bestimmten anderen Grundstücks bzw. zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des anderen Grundstücks, als auch durch Personaldienstbarkeiten, die jeweils zu Gunsten einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person errichtet werden.
Beispiele: Grunddienstbarkeit: Heinz Halbeis, Eigentümer des Grundstücks Nr. 1000, gewährt zu Gunsten des Nachbargrundstücks Nr. 1001, gegenwärtig im Eigentum von Ida Immer, das Recht, auf seinem Grundstück einen Weg zu errichten, auf dem das Nachbargrundstück von der öffentlichen Strasse aus erreicht werden kann. Immer leistet dafür eine Einmalentschädigung von CHF 10'000. Jeder künftige Eigentümer des Grundstücks GB Nr. 1001 kann das Wegrecht beanspruchen.Personaldienstbarkeit: Jakob Jermann räumt seiner Nachbarin Karin Kummer das Recht ein, einen bestimmten Parkplatz auf seinem Grundstück GB Nr. 2000 für die Dauer von 10 Jahren ausschliesslich zu benützen. Sie bezahlt dafür ein einmaliges Entgelt von CHF 8'40—. Verkauft Karin Kummer ihr Nachbargrundstück und zieht weg, hat der Käufer kein Anrecht auf den Parkplatz auf dem Grundstück GB Nr. 2000.
Auch die Belastung eines Grundstücks mit einer öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung kann seine Bewirtschaftung einschränken und den Veräusserungswert beeinträchtigen. Zu denken ist etwa an eine Auszonung von baureifen Grundstücken oder – weniger einschränkend – an eine Rück- oder Abzonung. Davon spricht man, wenn beispielsweise in einem Gebiet, das bisher der viergeschossigen Wohnzone mit einer Ausnützungsziffer von 0.65 zugehört, nach der Zonenplanrevision nur noch zweigeschossig mit einer Ausnützung von 0.45 gebaut werden darf. Ein solches Vorgehen kann einer Enteignung gleichkommen (Tatbestand der materiellen Enteignung) und ist durch das Gemeinwesen zu entschädigen (vgl. § 237 EG ZGB).
Die Belastung muss dauernd sein. Bei Grunddienstbarkeiten ist sie zeitlich nicht befristet und gilt damit immer als dauernd, ausser wenn sie ausdrücklich nur für eine bestimmte Zeit errichtet wird. Wird eine Personaldienstbarkeit zeitlich unbeschränkt eingeräumt (z.B. Wegrecht zu Gunsten der Gemeinde), ist diese dingliche Belastung ebenfalls dauernd. Entgegen der bisherigen kantonalen Rechtsprechung kann aber die Belastung mit einer zeitlich, auf 30 oder mehr Jahre befristeten Personaldienstbarkeit nicht einer Veräusserung gleichgesetzt werden, da insbesondere bei periodischer Entschädigung kein Substanzverzehr vorliegt. Daran ändert nichts, dass privatrechtlich eine auf wenigstens 30 Jahre begründete Dienstbarkeit als dauerndes Recht gilt (Art. 655 Abs. 3 Ziff. 2 ZGB). Denn namentlich das Baurecht ist zeitlich immer (auf höchstens 100 Jahre) befristet und damit auf beschränkte Dauer angelegt (Art. 779l Abs. 1 ZGB).
Folglich stellt die Entschädigung für die Einräumung einer zeitlich befristeten Personaldienstbarkeit keinen Kapitalgewinn aus der Veräusserung von Privatvermögen dar, welcher der (kantonalen) Grundstückgewinnsteuer unterliegt (BGE 141 II 326 = Pra 105 [2016] Nr. 12; Peter Locher, Steuerharmonisierung – Aufgaben und Möglichkeiten der Steuerjustiz, ASA 85 [2016/2017], S. 1 ff, insb. S. 7). Entsprechend ist sie als Ertrag aus unbeweglichem Vermögen zu versteuern und unterliegt der (gewöhnlichen) Einkommenssteuer (§ 27 StG). Das gilt insbesondere aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung für sämtliche Einkünfte aus Baurechtsverträgen (§ 27 lit. c StG), und zwar auch dann, wenn das Baurecht für mehr als 30 Jahre eingeräumt wird und damit zivilrechtlich als dauerndes Recht gilt. Daran ändert auch nichts, wenn der Berechtigte den Baurechtszins als Einmalentschädigung leistet.
Mit der Einräumung eines Baurechts an einer überbauten Liegenschaft wird aber zugleich das Eigentum am Gebäude übertragen, so dass eine steuerbare Veräusserung der Baute im Sinn von § 49 Abs. 1 StG vorliegt. Denn diese gilt, da nun auf fremdem Boden, nach § 48 Abs. 2 lit. c StG als Grundstück. Endet das Baurecht infolge Zeitablaufs oder Verzichts, fällt das Gebäude an den Grundeigentümer heim, im Regelfall gegen angemessene Entschädigung (Art. 779c ff. ZGB). Auch der Heimfall ist als Veräusserung zu qualifizieren.
Die Einschränkung der Bewirtschaftung oder die Werteinbusse muss wesentlich sein. Das ist etwa der Fall bei einem neu eingeräumten Wegrecht, wenn dieses einen künftigen Ausbau des bestehenden Hauses ausschliesst. Schliesslich unterliegt die Belastung eines Grundstückes mit Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen nur dann der Grundstückgewinnsteuer, wenn dafür ein Entgelt entrichtet wird. Das kann zugleich ein Indiz dafür sein, dass das Grundeigentum wesentlich beschränkt worden ist.
Als Beispiele für Dienstbarkeiten, welche die genannten Voraussetzungen erfüllen, können genannt werden:
- Wegrecht;
- Durchleitungsrecht, z.B. für Hochspannungsleitungen, nicht aber für in die Erde verlegte Leitungen, wenn diese nach dem Bau die Bewirtschaftung des Grundstücks nicht mehr schmälern;
- Bauverbot oder Baubeschränkungen (Näher-, Grenz- oder Überbaurecht, Ausnützungstransport);
- Gewerbebeschränkung;
- Parkplatzrecht.
Nicht nur die Entschädigung für die Einräumung einer belastenden Dienstbarkeit ist mit der Grundstückgewinnsteuer zu erfassen, sondern auch jene, für den Verzicht auf eine bestehende Dienstbarkeit zu Lasten eines anderen Grundstücks (BGE 139 II 363: Verzicht auf ein Bauverbot zu Lasten der benachbarten Grundstücke, so dass diese nun überbaut werden konnten). Gleich zu behandeln ist auch das Entgelt für den Rückzug der Einsprache gegen einen Gestaltungsplan, wenn dessen Realisierung den Wert des eigenen Grundstücks wesentlich mindert (KSGE 1996 Nr. 2).
5 Zahlung für Sachschäden
Mit § 49 Abs. 2 lit. d StG werden Versicherungsleistungen für zerstörte Gebäude steuerbar erklärt, wenn und soweit der Eigentümer sie nicht wieder aufbaut oder dafür anderweitig Ersatz beschafft. Denn damit wird der Gebäudewert geldmässig realisiert. Steuerbar ist nicht die ganze Versicherungsleistung, denn diese stellt den Erlös dar, von dem die üblichen Abzüge vorzunehmen sind.
Beispiel: Leo Landmann konnte 2011 aus einer Zwangsverwertung ein Grundstück mit einem etwas baufälligen Haus günstig erwerben (Zuschlagpreis CHF 280'000). Im Juni 2016 ist das Haus einem Brand zum Opfer gefallen. Landmann verzichtet auf den Wiederaufbau, bricht die Brandruine vollständig ab (Kosten CHF 25'000) und lässt sich von der Gebäudeversicherung die Versicherungssumme für den Zeitwert des Gebäudes im Betrag von CHF 210'000 auszahlen. Im nächsten Jahr verkauft er das unüberbaute Grundstück für CHF 190'000. Die Auszahlung der Versicherungsleistung unterliegt im Jahr 2016 der Grundstückgewinnsteuer, der Verkauf der Parzelle im Jahr 2017. Für die Berechnung der zu besteuernden Gewinne sind die Anlagekosten von insgesamt CHF 305‘000 (CHF 280'000 Erwerbspreis plus Abbruchkosten von CHF 25‘000) auf Gebäude und Land aufzuteilen.