Verfahrensrechtliche Stellung der Ehegatten

Gesetzliche Grundlagen
§ 132 StG
Art. 113 DBG
Art. 117 DBG

Weitere Grundlagen
Kreisschreiben der ESTV Nr. 30 vom 21. Dezember 2010, «Ehepaar- und Familienbesteuerung nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG)»

Inhalt
1         Allgemeines
1.1      Ausübung von Verfahrensrechten und -pflichten
1.2      Gemeinsame Unterzeichnung der Steuererklärung
1.3      Rechtsmittel und andere Eingaben
1.4      Mitteilungen der Steuerbehörde
1.5      Vertragliche Vertretung
2         Direkte Bundessteuer


1         Allgemeines

Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, werden zusammen veranlagt. Sie üben die den Steuerpflichtigen zukommenden Verfahrensrechte und -pflichten gemeinsam aus. Ehemann und Ehefrau sind steuerrechtlich gleichgestellt. Beide sind steuerpflichtig und es stehen ihnen auch dieselben Rechte und Pflichten zu. Dasselbe gilt für Personen in eingetragener Partnerschaft (§ 14bis Abs. 2 StG).


1.1      Ausübung von Verfahrensrechten und -pflichten 

Grundsätzlich haben die Ehegatten Verfahrenshandlungen gemeinsam vorzunehmen. Allerdings wirken rechtzeitige Handlungen nur eines Ehegatten auch für den andern Ehegatten, der innert Frist nicht handelt. In diesem Fall gilt die Verfahrenshandlung auch für den andern Ehegatten als vorgenommen und bindet diesen. Dies ist die Folge der gesetzlichen Vertretungsvermutung. Diese Vertretungsvermutung kann nur entkräftet werden, indem beide Ehegatten die betreffende Verfahrenshandlung individuell vornehmen (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 113 N 6 und 7).


1.2    Gemeinsame Unterzeichnung der Steuererklärung

In den meisten Kantonen, so auch im Kanton Solothurn, besteht eine Unterschriftspflicht für beide Ehegatten. Ein nicht unterzeichnender Ehegatte wird so gestellt, wie wenn er die Steuererklärung selber ausgefüllt hätte. Ist ein Ehegatte mit der von seinem Ehepart-ner ausgefüllten Steuererklärung nicht einverstanden, so hat er innert Frist eine separate Steuererklärung einzureichen. Derjenige Ehepartner, der die Steuererklärung nicht unterzeichnet hat, kann damit nicht sein Nichteinverständnis zum Ausdruck bringen. Jeder Ehegatte ist nur für seine eigenen Steuerfaktoren mitwirkungspflichtig. Bei widersprüchlichen Handlungen der Ehegatten im Bereich der Sachverhaltsfeststellung hat die Steuerbehörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu entscheiden.


1.3    Rechtsmittel und andere Eingaben 

Rechtsmittel und andere Eingaben gelten als rechtzeitig eingereicht, wenn einer der bei-den Ehegatten innert Frist gehandelt hat. Eine Doppelunterschrift ist hier, im Gegensatz zur Steuererklärung, nicht nötig. Das Gesetz geht von einer stillschweigenden Ermächti-gung zur Vertretung aus. Jeder Ehegatte kann im Rechtsmittelverfahren selbständig rechtswirksam vorgehen, was auch dem untätig bleibenden Ehegatten zugutekommt. Dieser kann gegen einen späteren Entscheid der Rechtsmittelinstanz ohne weiteres ein Rechtsmittel einlegen. Reichen beide Ehegatten unabhängig voneinander eine form- und fristgerechte Eingabe ein, so hat die Behörde beide Eingaben zu würdigen, auch wenn sie unterschiedliche Anträge und Begründungen aufweisen und sich gegebenenfalls sogar widersprechen.


1.4    Mitteilungen der Steuerbehörde 

Sämtliche Mitteilungen an einen der Ehegatten gelten auch als dem andern Ehegatten rechtsgültig eröffnet. 

Beispiel 
Herr X ist verheiratet und erhält nach Eingabe der Steuererklärung eine Aufforderung zur Auskunftserteilung. Da er dieser nicht nachkommt, wird er gemahnt. Als er auch auf die Mahnung nicht reagiert, wird er veranlagt und der betreffende Posten wird mangels Unterlagen aufgerechnet. Herr X macht im Einspracheverfahren geltend, die Mahnung zur Auskunftserteilung hätte nicht nur ihm, sondern auch seiner Ehegattin mit separater Post zugestellt werden müssen. Nach § 132 Abs. 4 StG üben die Ehegatten nicht nur ihre Ver-fahrensrechte gemeinsam aus, sondern es gelten Mitteilungen als gemeinsam erhalten, auch wenn nur eine einzige Zustellung erfolgt ist. Anders wäre die Frage nur zu beant-worten, wenn die Ehegatten X in gerichtlich oder tatsächlich getrennter Ehe leben würden.
Eine je separate Mitteilung an die in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten erübrigt sich somit. Es besteht kein Anspruch der Ehegatten auf individuelle Eröffnung der Veranlagung. Die Zustellung erfolgt jeweils an beide Ehegatten gemeinsam adressiert.


1.5    Vertragliche Vertretung 

Die vertragliche Vertretung unter Ehegatten ist zulässig. Nach § 132 Abs. 2 StG wird sie sogar angenommen, wenn der eine Ehegatte auch in der angesetzten Nachfrist die Steuererklärung nicht unterzeichnet. Ein Ehegatte kann jedoch «offiziell» den anderen Ehegatten vertreten. Hierzu bedarf es einer gültigen Vollmacht, die vom vertretenen Ehegatten unterschrieben ist (LOCHER, Kommentar zum DBG, Art. 113 N 22). Die Ehegatten haben auch die Möglichkeit, sich beide von einer Drittperson vertreten zu lassen (vgl. StB SO § 133 Nr. 1). Dazu müssen sie jedoch beide die Vollmacht unterzeichnen. Zustellungen er-folgen in diesem Fall an den Vertreter der Ehegatten. Es ist auch möglich, dass sich nur einer der beiden Ehegatten durch eine Drittperson vertreten lässt. In diesem Fall hat die Zustellung sowohl an den Vertreter wie auch an den nicht vertretenen Ehegatten je sepa-rat zu erfolgen. Während auf kantonaler Ebene in Abs. 5 von § 132 StG noch explizit die Zulässigkeit der vertraglichen Vertretung erwähnt ist, wurde sie auf Bundesebene als überflüssige Bestimmung gestrichen (LOCHER, Kommentar zum DBG, Art. 113 N 4).


2    Direkte Bundessteuer

Die Regelung bei der direkten Bundessteuer ist identisch.