Veranlagungsverjährung

Gesetzliche Grundlagen
§ 138 StG
Art. 120 DBG


Inhalt

1          Allgemeines
1.1       Sinn und Zweck der Verjährung
1.2       Verjährungsarten
2          Verjährungsfrist
2.1       Relative Verjährungsfrist
2.2       Absolute Verjährungsfrist
2.3       Fristwahrung
3          Friststillstand und Fristunterbrechung
3.1       Gründe, aus denen die Frist nicht beginnt oder stillsteht    
3.1.1    Hängiges Rechtsmittelverfahren
3.1.2    Sicherstellung und Stundung der Steuerforderung
3.1.3    Kein Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz
3.1.4    Konkursverfahren und Nachlassstundung
3.2       Gründe, aus denen die Frist neu zu laufen beginnt
3.2.1    Amtshandlung der Steuerbehörde
3.2.2    Anerkennung der Steuerforderung
3.2.3    Einleitung eines Erlassverfahrens
3.2.4    Einleitung einer Strafverfolgung
4          Folgen der Verjährung
5          Abgrenzungen
5.1       Verjährung der Revision
5.2       Verjährung der Berichtigung
5.3       Verjährung im Steuerstrafrecht
5.4       Verwirkung
5.5       Verwirkung im Nachsteuerverfahren
5.6       Verwirkung von Gemeindesteuern
5.7       Verwirkung des Besteuerungsrechts im interkantonalen Verhältnis
6          Direkte Bundessteuer
 

Allgemeines

1.1    Sinn und Zweck der Verjährung

Die Verjährung ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der sowohl im Privatrecht als auch im öffentlichen Recht gilt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens sollen Steuerforderungen nicht auf ewige Zeiten bestehen bleiben. Im rechtlichen Verhältnis zwischen Staat und Bürger soll nach Ablauf einer bestimmten Frist Ruhe einkehren. Nach einer gewissen Zeit muss Klarheit darüber bestehen, ob ein Anspruch noch durchgesetzt werden darf oder nicht. Das gibt auch dem Steuerpflichtigen Gewissheit darüber, wie viel Geld er dem Staat im Endeffekt abliefern muss, was wiederum seine Finanzplanung erleichtert (vgl. hierzu und zur weiteren Bedeutung der Verjährung MARKUS BINDER, Die Verjährung im schweizerischen Steuerrecht, Zürich 1985, S. 55).
Juristisch betrachtet stellt die Verjährung einen Rechtsverlust nach Zeitablauf dar. Mit an-deren Worten kann ein Anspruch (hier: eine Steuerforderung) gegenüber einer verpflich-teten Person (hier: dem Steuerpflichtigen) nach einer bestimmten Dauer rechtlich nicht mehr durchgesetzt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch davon, dass die Steuerforderung nicht mehr «eingeklagt» werden kann. 
Die Verjährung hat bei sämtlichen Steuern, die der Kanton Solothurn erhebt, dieselbe Wirkung, betrifft also die Einkommenssteuer inkl. Personalsteuer, die Vermögenssteuer, die Grundstückgewinnsteuer, die Gewinnsteuer, die Kapitalsteuer und die Finanzausgleichssteuer.


1.2    Verjährungsarten

Das StG unterscheidet zwischen zwei Arten von Verjährung:
–    Veranlagungsverjährung (§ 138 StG)
–    Bezugsverjährung (§ 139 StG)
Die Veranlagungsverjährung gibt der Steuerbehörde vor, wie lange sie eine Steuerforderung veranlagen darf. Die Bezugsverjährung definiert demgegenüber, wie lange eine Steuerforderung gegenüber dem Steuerpflichtigen geltend gemacht werden kann. Das vorliegende Steuerbuch-Kapitel befasst sich mit der Veranlagungsverjährung (vgl. zur Be-zugsverjährung [StB SO § 139 Nr. 1]).


2    Verjährungsfrist

Bei jeder Frist muss ermittelt werden, wann diese zu laufen beginnt und wie lange sie läuft bzw. was den Fristenlauf auslöst und wie lange dieser dauert. So auch bei der Veranlagungsverjährung: Das Gesetz unterscheidet hierbei zwischen der relativen und der absoluten Verjährungsfrist.

 

 

2.1    Relative Verjährungsfrist

Das Steueramt hat von Gesetzes wegen fünf Jahre Zeit, um eine Steuerperiode zu veranlagen (§ 138 Abs. 1 StG). Diese relative Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf der Steuerperiode zu laufen. Bei natürlichen Personen endet die Steuerperiode am 31. Dezember, da das Kalenderjahr als Steuerperiode gilt (§ 74 Abs. 2 StG). Endet die Steuerpflicht in der Schweiz im Verlauf des Kalenderjahrs, beginnt die Frist am Folgetag zu laufen (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 3). Bei juris-tischen Personen ist demgegenüber das Geschäftsjahr massgeblich, wobei in jedem Ka-lenderjahr, ausgenommen im Gründungsjahr, ein Geschäftsabschluss erstellt werden muss (§ 110 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 StG).

Beispiel 1
Herr Muster ist für die Steuerperiode 2018 zu veranlagen. Die relative Verjährungsfrist beginnt am 1. Januar 2019 zu laufen und endet am 31. Dezember 2023.

Beispiel 2
Herr Muster zieht per 31. Juli 2018 vom Kanton Solothurn in den Kanton Bern. Für die Veranlagung der Steuerperiode 2018 ist der Kanton Bern zuständig. Da die Steuerpflicht in der Schweiz nicht endet, beginnt die relative Veranlagungsverjährung am 1. Januar 2019 zu laufen und endet am 31. Dezember 2023.

Beispiel 3
Herr Muster verlässt die Schweiz am 31. Juli 2018. Die relative Verjährungsfrist für die Steuerperiode 2018 beginnt am 1. August 2018 zu laufen und endet am 31. Juli 2023.

Beispiel 4
Das Geschäftsjahr der Muster AG beginnt am 1. Juni 2017 und endet am 31. Mai 2018. Die relative Verjährungsfrist für die Veranlagung 2018 beginnt am 1. Juni 2018 zu laufen und endet am 31. Mai 2023


2.2    Absolute Verjährungsfrist

Gemäss § 138 Abs. 4 StG ist das Recht, eine Steuer zu veranlagen, 15 Jahre nach Ablauf der Steuerperiode in jedem Fall verjährt. Es handelt sich hierbei, obwohl von Verjährung gesprochen wird, um eine Verwirkungsfrist (vgl. hinten, Ziff. 5.5).
Vergleicht man diese Regelung mit der relativen Verjährungsfrist (vgl. vorne, Ziff. 2.1), fällt auf, dass sich die beiden Bestimmungen überschneiden. Die absolute Verjährungsfrist steckt dabei – wie der Name schon sagt – den grösstmöglichen Zeitraum ab, in dem eine Steuerperiode veranlagt werden kann. Innerhalb dieser 15 Jahre ist das Steueramt jedoch gehalten, die Veranlagung vorzunehmen. Die relative Verjährungsfrist von fünf Jahren kann stillstehen oder gar nicht erst zu laufen beginnen (vgl. hinten, Ziff. 3), die absolute Verjährungsfrist läuft dagegen ungehindert weiter.


2.3    Fristwahrung

Die relative Verjährungsfrist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Frist von 5 Jahren das Ver-anlagungsverfahren eingeleitet wurde; dies geschieht mit der Zustellung der provisorischen Rechnung (Vorbezug oder öffentliche Bekanntgabe). Vorbehalten bleiben Gründe, die zu einem Friststillstand oder einer Fristunterbrechung führen (vgl. hinten, Ziff. 3).
Die absolute Verjährungsfrist ist eingehalten, wenn vor Ablauf der Frist von 15 Jahren die Veranlagung in Rechtskraft erwachsen ist oder ein letztinstanzlicher Entscheid gefällt wurde (vgl. RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 4).

 

3    Friststillstand und Fristunterbrechung

Die relative Verjährungsfrist kann stillstehen bzw. gar nicht erst beginnen (§ 138 Abs. 2 StG) oder neu zu laufen beginnen (§ 138 Abs. 3 StG). Demgegenüber läuft die absolute Verjährungsfrist ungehindert ab dem 1. Tag nach Ablauf der Steuerperiode.


3.1    Gründe, aus denen die Frist nicht beginnt oder stillsteht

Treten die nachfolgend genannten Gründe bereits vor Ablauf der Steuerperiode ein, beginnt die relative Verjährungsfrist nicht zu laufen. Tritt ein solcher Grund nach Ablauf der Steuerperiode ein, steht die relative Verjährungsfrist erst im Zeitpunkt still, in dem der Grund eintritt. Die relative Verjährungsfrist beginnt bzw. läuft weiter, sobald der Grund weggefallen ist. Man rechnet hierbei auf den Tag genau (vgl. RICH-NER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 10, sowie zu den einzelnen Stillstandsgründen N 6 ff.).
3.1.1    Hängiges Rechtsmittelverfahren 
Als Rechtsmittelverfahren gelten Einsprache-, Rekurs-, Beschwerde- oder Revisions-verfahren (§ 138 Abs. 2 lit. a StG). Dazu zählt insbesondere auch die Beschwerde in öf-fentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht (§ 164bis StG). 


3.1.2    Sicherstellung und Stundung der Steuerforderung 

Steuerforderungen können nach § 184 StG sichergestellt werden. Die Stundung richtet sich nach § 181 StG. Beide Bezugshandlungen führen zum Stillstand der Verjährungsfrist (§ 138 Abs. 2 lit. b StG). Die blosse Abschreibung einer
Steuerforderung führt jedoch nicht dazu, dass die Verjährungsfrist stillsteht.


3.1.3    Kein Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz 

Die relative Verjährungsfrist beginnt nicht bzw. steht still, wenn weder der Steuerpflich-tige noch eine Person, die für dessen Steuern mithaftet (bei natürlichen Personen: § 19 StG [vgl. StB SO § 139 Nr. 1]; bei juristischen Personen: § 89 StG),
ihren Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz haben (§ 138 Abs. 2 lit. c StG). Dasselbe gilt, wenn sie sich weder in der Schweiz aufhalten noch die tatsächliche Verwaltung hier ausüben.
Es genügt jedoch, dass entweder der Steuerpflichtige oder der Mithaftende seinen Wohn-sitz bzw. Sitz in der Schweiz hat, damit die relative Verjährungsfrist zu laufen beginnt.
Verlangt das Steueramt von einem Steuerpflichtigen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland, dass dieser einen Vertreter in der Schweiz bezeichnet (§ 133 Abs. 4 StG), wird die relative Verjährungsfrist ausgelöst, sobald der Vertreter bezeichnet wurde (vgl. zum Ganzen RICH-NER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 8).


3.1.4    Konkursverfahren und Nachlassstundung

Neben den in § 138 Abs. 2 StG genannten Gründen steht die Verjährungsfrist auch dann still, wenn ein Konkursverfahren eingeleitet (Art. 207 Abs. 2 SchKG) bzw. wenn eine Nachlassstundung gewährt wurde (Art. 297 Abs. 5 und 6 SchKG; RICH-NER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 9).
Mit der Eröffnung des Konkurses können mit Ausnahme dringlicher Fälle Verwaltungsver-fahren sistiert werden. Das Veranlagungsverfahren ist diesfalls blockiert. Konkursverfahren sollen innert einem Jahr nach deren Eröffnung abgeschlossen sein (Art. 270 Abs. 1 SchKG). 
Gewährt das Nachlassgericht eine (provisorische oder definitive) Nachlassstundung (Art. 293a ff. SchKG), so werden hängige Verwaltungsverfahren mit Ausnahme dringlicher Fälle von Amtes wegen sistiert. Diese automatische Sistierung der Verjährungsfrist gilt aber nur für sog. Nachlassforderungen (vgl. UMBACH-SPAHN/KESSELBACH/BOSSART, in: KREN KOSTKIEWICZ/VOCK [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG, Schulthess Kommentar, 4. Auflage, Zürich 2017, Art. 297 N 13 und 15), al-so Forderungen, die im Nachlassverfahren eingegeben wurden. Die Nachlassstundung dauert unter Berücksichtigung sämtlicher Verlängerungsmöglichkeiten maximal 34 Mona-te (vgl. Art. 293a Abs. 2, 294 Abs. 1 und 295b Abs. 1 SchKG).


3.2    Gründe, aus denen die Frist neu zu laufen beginnt

Die nachfolgend genannten Gründe sind sog. Unterbrechungsgründe. Das bedeutet, dass die relative Verjährungsfrist am Tag, an dem ein solcher Unterbrechungsgrund ein-tritt, neu zu laufen beginnt. Dies wiederum für fünf Jahre und jedes
Mal von Neuem, wenn ein weiterer Unterbrechungsgrund eintritt. Man rechnet hierbei auf den Tag genau. Logischerweise wirken Handlungen, die die Verjährung unterbrechen, erst nach Ablauf der entsprechenden Steuerperiode, da ja zuvor die Verjährungsfrist noch gar nicht zu lau-fen begonnen hat (vgl. RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 23 f.).


3.2.1    Amtshandlung der Steuerbehörde 

Das Steueramt kann auf die relative Verjährungsfrist Einfluss nehmen, indem es eine Amtshandlung vornimmt, mit der es seine Steuerforderung feststellt oder geltend macht (§ 138 Abs. 3 lit. a StG). Vorausgesetzt wird weiter, dass diese Amtshandlung dem Steuerpflichtigen oder der mithaftenden Person (bei natürlichen Personen: § 19 StG [vgl. StB SO § 139 Nr. 1]; bei juristischen Personen: § 89 StG) zur Kenntnis gebracht wird.
Als Amtshandlung geltend alle Veranlagungs- und Bezugshandlungen; so etwa die folgenden (vgl. RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 11 ff.; BEUSCH, in: ZWEIFEL/ATHANAS, DBG, Art. 120 N 45):
–    das Zustellen der Vorbezugsrechnung bzw. die öffentliche Bekanntgabe des Einrei-chedatums der Steuererklärung;
–    die provisorische Veranlagung;
–    das Zustellen der Steuererklärung (§ 140 Abs. 1 StG);
–    die Mahnung bei Nichtabgabe der Steuererklärung (§ 52 Abs. 3 VV StG);
–    ein Schreiben, mit dem zusätzliche Unterlagen als Ergänzung der Steuererklärung eingefordert werden;
–    die Ankündigung und die Vornahme einer Buchprüfung bei der steuerpflichtigen Person;
–    die Eingabe der Steuerforderung in das Erbschaftsinventar der verstorbenen steuer-pflichtigen Person (§§ 173 ff. StG);
–    ein Schreiben, mit dem die Steuerforderung erneut geltend gemacht wird und das nur dazu dient, die Verjährungsfrist zu unterbrechen.
      Eine Amtshandlung gilt dann als «zur Kenntnis gebracht», wenn (BEUSCH, in: ZWEI-FEL/ATHANAS, DBG, Art. 120 N 48 ff.):
–    der Steuerpflichtige am letzten Tag der relativen Verjährungsfrist die Amtshandlung erkennen konnte, was bei einer Zustellung mit Abholeinladung am letzten Tag der Abholfrist der Fall ist (sofern der Steuerpflichtige mit der Zustellung     
      rechnen musste);
–    bei einem vertretenen Steuerpflichtigen der Vertreter (§ 133 StG; StB SO § 133 Nr. 1) von der Amtshandlung Kenntnis erhält;
–    bei einer juristischen Person eines ihrer Organe oder ein Dritter, der sich als Vertreter der juristischen Person zu erkennen gibt (insb. auch sog. «faktische Organe»), von der Amtshandlung Kenntnis erhält.


3.2.2    Anerkennung der Steuerforderung 

Die steuerpflichtige Person oder die mithaftende Person (bei natürlichen Personen: § 19 StG [vgl. StB SO § 139 Nr. 1]; bei juristischen Personen: § 89 StG) kann die relative Verjährungsfrist unterbrechen, indem sie die Steuerforderung
ausdrücklich anerkennt (§ 138 Abs. 3 lit. b StG). Dabei genügt es, dass aus dem Verhalten auf eine ausdrückliche Anerkennung geschlossen werden kann. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Teilzahlung erfolgt oder ein Stundungsgesuch gestellt wird (RICHNER/FREI/KAUFMANN/ MEUTER, Handkommen-tar DBG, Art. 120 N 12). 


3.2.3    Einleitung eines Erlassverfahrens

Mit dem Einreichen eines Erlassgesuches bei der Erlassabteilung des Finanzdepartements (§ 182 Abs. 2 StG und §§ 5 ff. StVO Nr. 11 [Steuerverordnung Nr. 11: Zahlungserleichterungen, Erlass und Abschreibungen; BGS 614.159.11]) wird die relative Verjährungsfrist unterbrochen (§ 138 Abs. 3 lit. c StG). Da ein Steuererlass eine rechtskräftige Veranla-gung voraussetzt (§ 5 Abs. 1 StVO Nr. 11), spielt dieser Unterbrechungsgrund nur bei der Bezugsverjährung (StB SO § 139 Nr. 1) eine Rolle.
Wird ein Erlass bereits im Veranlagungsverfahren beantragt (§ 182 Abs. 3 StG und § 5 Abs. 2 StVO Nr. 11), wird demgegenüber die Veranlagungsverjährung unterbrochen.
Für den Erlass von Quellensteuern ist das Steueramt zuständig (§ 182 Abs. 4 StG). Im Übri-gen kann auf die vorstehenden Absätze verwiesen werden.
Wird der Steuererlass gewährt, stellt sich die Frage der Verjährung nicht mehr, da die Steuerforderung nicht mehr besteht.


3.2.4    Einleitung einer Strafverfolgung

Wird eine Strafverfolgung wegen vollendeter Steuerhinterziehung (§ 189 StG) oder we-gen eines Steuervergehens (§ 200 f. StG) eingeleitet, führt dies zu einer Unterbrechung der relativen Verjährungsfrist (§ 138 Abs. 3 lit. d StG). Hängt die
Einleitung der Strafverfolgung von einer rechtskräftigen Veranlagung ab, betrifft dieser Unterbrechungsgrund nur die Bezugsverjährung (StB SO § 139 Nr. 1).
Dasselbe gilt bei Anstiftung, Gehilfenschaft und Mitwirkung, und zwar einerseits bei Steuerhinterziehung (§ 191 Abs. 1 StG) und andererseits bei Steuerbetrug (§ 200 Abs. 1 StG).


4    Folgen der Verjährung

Die Veranlagungsverjährung ist Gegenstand des materiellen Rechts und von Amtes wegen zu berücksichtigen. Tritt die relative Veranlagungsverjährung während des Veranlagungsverfahrens ein, ist die spätere definitive Veranlagung nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. In diesem Fall ist der Ball bei der steuerpflichtigen Person: Verzichtet sie darauf, ein Rechtsmittel einzulegen, erwächst die Veranlagung in Rechtskraft. Sie ist dann zwar formell falsch, kann aber trotzdem durchgesetzt werden. Ergreift die steuerpflichtige Per-son dagegen ein Rechtsmittel, ist die Verjährung in jedem Fall von Amtes wegen zu prü-fen, auch wenn die steuerpflichtige Person dies nicht ausdrücklich geltend macht (vgl. RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 26 ff.).
Anders sieht es bei Eintritt der absoluten Veranlagungsverjährung aus: Da diese als Verwirkungsfrist ausgestaltet ist, geht der Steueranspruch selbst unter. Dies heisst aber nicht, dass eine nach Ablauf der Verwirkungsfrist erfolgte Veranlagungsverfügung un-wirksam oder nichtig wäre: Eine solche Veranlagung ist vielmehr – wie oben dargestellt - anfechtbar (vgl. BINDER, a.a.O., S. 321).


5    Abgrenzungen

Von der Veranlagungsverjährung abzugrenzen sind insbesondere die nachfolgend aufge-führten Rechtsinstitute (hierzu eine Auswahl bei RICHNER/FREI/KAUF¬MANN/MEUTER, Hand-kommentar DBG, Art. 120 N 1 m.w.N.).


5.1    Verjährung der Revision

Steuerpflichtige müssen Revisionsgesuche innert 90 Tagen seit der Entdeckung des Revisi-onsgrunds, spätestens aber innert 10 Jahren seit der Eröffnung der zu revidierenden Ver-fügung oder des zu revidierenden Entscheids einreichen (§ 165 Abs. 2 StG).


5.2    Verjährung der Berichtigung

Rechnungsfehler und Schreibversehen in rechtskräftigen Verfügungen und Entscheiden können innert fünf Jahren seit Eröffnung auf Antrag oder von Amtes wegen berichtigt werden (§ 169 Abs. 1 StG).


5.3    Verjährung im Steuerstrafrecht

Die Strafverfolgung bei Verletzung von Verfahrenspflichten und Steuerhinterziehung ver-jährt nach § 198 StG, die Strafverfolgung von Steuervergehen nach § 203 bzw. § 204 StG. Der Bezug von im Steuerstrafverfahren ausgefällten Bussen und Kosten verjährt nach § 139 StG (vgl. Verweis in § 199 StG).


5.4    Verwirkung

Während die Verjährung einer Forderung bewirkt, dass diese nicht mehr rechtlich durch-gesetzt werden kann (obwohl sie weiterhin bestehen bleibt), geht mit der sog. Verwirkung die Forderung als solche unter. Die Verwirkungsfrist kann weder stillstehen noch unterbrochen werden.
Ist eine absolute Verjährungsfrist abgelaufen, führt dies immer auch zu einer Verwirkung der entsprechenden Forderung. Die Verwirkung setzt allerdings nicht immer voraus, dass die entsprechende Forderung auch verjährt ist: Auch andere Umstände können eine Verwirkung auslösen (z.B. das Nichteinhalten einer gesetzlichen Verpflichtung; in diesem Sinne Michael BEUSCH, Der Untergang der Steuerforderung, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 231).


5.5    Verwirkung im Nachsteuerverfahren

Das Recht, ein Nachsteuerverfahren einzuleiten, erlischt 10 Jahre nach Ablauf der Steuer-periode, für die eine Veranlagung zu Unrecht unterblieben oder eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist bzw. 10 Jahre nach dem
steuerbegründenden Tatbestand. Das Recht, die Nachsteuer festzusetzen, erlischt 15 Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, auf die sie sich bezieht (§ 171 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StG).
Die Einleitung eines solchen Nachsteuerverfahrens ist selbst dann möglich, wenn die relative Veranlagungsverjährung der ordentlichen Veranlagung eingetreten ist (BEUSCH, in: ZWEIFEL/BEUSCH, DBG, Art. 120 N 59).


5.6    Verwirkung von Gemeindesteuern

Die Einwohner- und Kirchgemeinden erheben eine Einkommens- und eine Vermögens-steuer von den natürlichen Personen sowie eine Gewinn- und eine Kapitalsteuer von den juristischen Personen (§ 2 Abs. 1 StG). Sie stützen sich dabei auf die Veranlagung der di-rekten Staatssteuer (§ 246 Abs. 4 StG). Das Recht, eine Gemeindesteuer zu berechnen, er-lischt 5 Jahre nach Rechtskraft der Staatssteuerveranlagung, frühestens aber 5 Jahre nach Ablauf der Steuerperiode (§ 254 StG). Es handelt sich dabei um eine Verwirkungsfrist.


5.7    Verwirkung des Besteuerungsrechts im interkantonalen Verhältnis

Im interkantonalen Verhältnis kann es vorkommen, dass mehrere Kantone dasselbe Steuersubstrat beanspruchen (z.B. bei Streitigkeiten betreffend Steuerdomizil). Hier muss oft erst noch geklärt werden, welchem Kanton in welchem Umfang das Besteuerungsrecht zusteht. Aus diesem Grund hat derjenige Kanton, der sich als besteuerungsberechtigt erachtet (erster Kanton), die Veranlagung zeitnah vorzunehmen, d.h. bei periodischen Steuern im Jahr, das auf die betreffende Steuerperiode folgt.
Tut der erste Kanton dies nicht und hat der Steuerpflichtige die Steuern im zweiten Kan-ton vorbehaltlos bezahlt, ist der Steueranspruch des ersten Kantons verwirkt, sofern der zweite Kanton vom kollidierenden Steueranspruch keine Kenntnis hatte. Auf die Verwirkung kann sich jedoch nur der zweite Kanton berufen. Der Steuerpflichtige muss sich seinerseits auf das Doppelbesteuerungsverbot berufen und dieses einklagen (in diesem Sinne BEUSCH, a.a.O., S. 272 f.).


6    Direkte Bundessteuer

Die Regelung bei der direkten Bundessteuer ist identisch.
Was die relative Veranlagungsverjährung angeht, so ist festzuhalten, dass bei einem un-terjährigen Wohnsitzwechsel innerhalb der Schweiz die Verjährungsfrist am 1. Januar des auf die Steuerperiode folgenden Jahres beginnt. Nur bei einem unterjährigen Wegzug ins Ausland beginnt die relative Veranlagungsverjährung am Folgetag des Wegzugs zu lau