Bezugsverjährung

Gesetzliche Grundlagen

§ 139 StG
Art. 121 DBG


Inhalt

1        Allgemeines
1.1     Sinn und Zweck der Verjährung
1.2     Verjährungsarten
2        Verjährungsfrist
2.1     Relative Verjährungsfrist
2.2     Absolute Verjährungsfrist
2.3     Fristwahrung
3        Friststillstand und Fristunterbrechung
3.1     Gründe, aus denen die Frist nicht beginnt oder stillsteht
3.1.1  Hängiges Rechtsmittelverfahren
3.1.2  Sicherstellung und Stundung der Steuerforderung
3.1.3  Kein Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz
3.1.4  Konkursverfahren und Nachlassstundung
3.2     Gründe, aus denen die Frist neu zu laufen beginnt
3.2.1  Amtshandlung der Steuerbehörde
3.2.2  Anerkennung der Steuerforderung
3.2.3  Einleitung eines Erlassverfahrens
3.2.4  Einleitung einer Strafverfolgung
4        Folgen der Verjährung
5        Abgrenzungen
5.1     Verjährung von Steuerforderungen, für die ein Verlustschein besteht
5.2     Verjährung der Revision
5.3     Verjährung der Berichtigung
5.4     Verjährung des Anspruchs auf Steuerrückerstattung
5.5     Verjährung im Steuerstrafrecht
5.6     Verwirkung
5.7     Verwirkung im Nachsteuerverfahren
5.8     Verwirkung von Gemeindesteuern
5.9     Eintragungsfrist für das gesetzliche Pfandrecht (Grundstückgewinnsteuer)
6        Direkte Bundessteuer


1        Allgemeines

1.1    Sinn und Zweck der Verjährung


Die Verjährung ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der sowohl im Privatrecht als auch im öffentlichen Recht gilt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens sollen Steuerforderungen nicht auf ewige Zeiten bestehen bleiben. Im rechtlichen Verhältnis zwischen Staat und Bürger soll nach Ablauf einer bestimmten Frist Ruhe einkehren. Nach einer gewissen Zeit muss Klarheit darüber bestehen, ob ein Anspruch noch durchgesetzt werden darf oder nicht. Das gibt auch dem Steuerpflichtigen Gewissheit darüber, wie viel Geld er dem Staat im Endeffekt abliefern muss, was wiederum seine Finanzplanung er-leichtert (vgl. hierzu und zur weiteren Bedeutung der Verjährung MARKUS BINDER, Die Verjährung im schweizerischen Steuerrecht, Zürich 1985, S. 55).
Juristisch betrachtet stellt die Verjährung einen Rechtsverlust nach Zeitablauf dar. Mit anderen Worten kann ein Anspruch (hier: eine Steuerforderung) gegenüber einer verpflichteten Person (hier: dem Steuerpflichtigen) nach einer bestimmten Dauer rechtlich nicht mehr durchgesetzt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch davon, dass die Steuerforderung nicht mehr «eingeklagt» werden kann. 
Die Verjährung hat bei sämtlichen Steuern, die der Kanton Solothurn erhebt, dieselbe Wirkung, betrifft also die Einkommenssteuer inkl. Personalsteuer, die Vermögenssteuer, die Grundstückgewinnsteuer, die Gewinnsteuer, die Kapitalsteuer und die Finanzausgleichssteuer.


1.2     Verjährungsarten

Das StG unterscheidet zwischen zwei Arten von Verjährung:
–    Veranlagungsverjährung (§ 138 StG)
–    Bezugsverjährung (§ 139 StG)
Die Veranlagungsverjährung gibt der Steuerbehörde vor, wie lange sie eine Steuerforde-rung veranlagen darf. Die Bezugsverjährung definiert demgegenüber, wie lange eine Steuerforderung gegenüber dem Steuerpflichtigen geltend gemacht werden kann. Das vorliegende Steuerbuch-Kapitel befasst sich mit der Bezugsverjährung (vgl. zur Veranlagungsverjährung StB SO § 138 Nr. 1).


2        Verjährungsfrist

Bei jeder Frist muss ermittelt werden, wann diese zu laufen beginnt und wie lange sie läuft bzw. was den Fristenlauf auslöst und wie lange dieser dauert. So auch bei der Be-zugsverjährung: Das Gesetz unterscheidet hierbei zwischen der relativen und der absoluten Verjährungsfrist.


2.1     Relative Verjährungsfrist

Die Rechtskraft der Veranlagung löst die relative Verjährungsfrist von fünf Jahren aus (§ 139 Abs. 1 StG). Der Fristenlauf beginnt einen Tag nach Eintritt der Rechtskraft, wobei taggenau gerechnet wird (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 121 N 4). Die sog. formelle Rechtskraft genügt, um den Fristenlauf auszulösen (vgl. BEUSCH, in: ZWEIFEL/ATHANAS, DBG, Art. 121 N 4).


2.2      Absolute Verjährungsfrist

Gemäss § 139 Abs. 3 StG ist das Recht, eine Steuer zu beziehen, 10 Jahre nach Rechtskraft der Veranlagung in jedem Fall verjährt. Es handelt sich hierbei, obwohl von Ver-jährung gesprochen wird, um eine Verwirkungsfrist (vgl. hinten, Ziff. 5.6). Der Fristenlauf beginnt ab dem 1. Januar des Kalenderjahres, das auf die Rechtskraft der Veranla-gung folgt (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 121 N 4). Die sog. formelle Rechtskraft genügt, um den Fristenlauf auszulösen (vgl. BEUSCH, in: ZWEI-FEL/ATHANAS, DBG, Art. 121 N 4).
Vergleicht man diese Regelung mit der relativen Verjährungsfrist (vgl. vorne, Ziff. 2.1), fällt auf, dass sich die beiden Bestimmungen überschneiden. Die absolute Verjährungsfrist steckt dabei – wie der Name schon sagt – den grösstmöglichen Zeitraum ab, in dem eine rechtskräftige Steuer bezogen werden kann. Innerhalb dieser 10 Jahre ist das Steueramt jedoch gehalten, den Steuerbezug durchzuführen. Die relative Verjährungsfrist von fünf Jahren kann stillstehen oder gar nicht erst zu laufen beginnen (vgl. hinten, Ziff. 3), die absolute Verjährungsfrist läuft dagegen ungehindert weiter.


2.3     Fristwahrung

Die relative Verjährungsfrist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Frist von fünf Jahren das Inkassoverfahren eingeleitet wurde. Dies geschieht in aller Regel durch Zustellung einer Mahnung. Vorbehalten bleiben Gründe, die zu einem Friststillstand oder einer Fristunterbrechung führen (vgl. hinten, Ziff. 3).
Die absolute Verjährungsfrist ist eingehalten, wenn vor Ablauf der Frist von 10 Jahren die Steuerforderung beglichen wurde.


3        Friststillstand und Fristunterbrechung

Das Gesetz verweist pauschal auf die Stillstands- und Unterbrechungsgründe der Veranla-gungsverjährung (StB SO § 138 Nr. 1; vgl. § 139 Abs. 2). Demnach gilt: Die relative Verjährungsfrist kann stillstehen bzw. gar nicht erst beginnen (§ 138 Abs. 2 StG) oder neu zu laufen beginnen (§ 138 Abs. 3 StG). Demgegenüber läuft die absolute Verjährungsfrist ungehindert ab dem 1. Januar des Kalenderjahres, das auf die Rechtskraft der Veranla-gung folgt.


3.1     Gründe, aus denen die Frist nicht beginnt oder stillsteht

Treten die nachfolgend genannten Gründe bereits vor Ablauf der Steuerperiode ein, beginnt die relative Verjährungsfrist nicht zu laufen. Tritt ein solcher Grund nach Ablauf der Steuerperiode ein, steht die relative Verjährungsfrist erst im Zeitpunkt still, in dem der Grund eintritt. Die relative Verjährungsfrist beginnt bzw. läuft weiter, sobald der Grund weggefallen ist. Man rechnet hierbei auf den Tag genau (vgl. RICH-NER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 10, sowie zu den einzelnen Stillstandsgründen N 6 ff.).


3.1.1    Hängiges Rechtsmittelverfahren 

Als fristunterbrechende Rechtsmittelverfahren gelten Einsprache-, Rekurs-, Beschwer-de- oder Revisionsverfahren (§ 138 Abs. 2 lit. a StG). Dazu zählt insbesondere auch die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht (§ 164bis StG). 


3.1.2    Sicherstellung und Stundung der Steuerforderung 

Steuerforderungen können nach § 184 StG sichergestellt werden. Die Stundung richtet sich nach § 181 StG. Beide Bezugshandlungen führen zum Stillstand der Verjährungsfrist (§ 138 Abs. 2 lit. b StG). Die blosse Abschreibung einer Steuerforderung führt jedoch nicht dazu, dass die Verjährungsfrist stillsteht.


3.1.3     Kein Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz 

Die relative Verjährungsfrist beginnt nicht bzw. steht still, wenn weder der Steuerpflichtige noch eine Person, die für dessen Steuern mithaftet (bei natürlichen Personen: § 19 StG [vgl. StB SO § 139 Nr. 1]; bei juristischen Personen: § 89 StG), ihren Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz haben (§ 138 Abs. 2 lit. c StG). Dasselbe gilt, wenn sie sich weder in der Schweiz aufhalten noch die tatsächliche Verwaltung hier ausüben.
Es genügt jedoch, dass entweder der Steuerpflichtige oder der Mithaftende seinen Wohnsitz bzw. Sitz in der Schweiz hat, damit die relative Verjährungsfrist zu laufen beginnt.
Verlangt das Steueramt von einem Steuerpflichtigen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland, dass dieser einen Vertreter in der Schweiz bezeichnet (§ 133 Abs. 4 StG), wird die relative Verjährungsfrist ausgelöst, sobald der Vertreter bezeichnet wurde (vgl. zum Ganzen RICH-NER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 8).


3.1.4      Konkursverfahren und Nachlassstundung

Neben den in § 138 Abs. 2 StG genannten Gründen steht die Verjährungsfrist auch dann still, wenn ein Konkursverfahren eingeleitet (Art. 207 Abs. 2 SchKG) bzw. wenn eine Nachlassstundung gewährt wurde (Art. 297 Abs. 5 und 6 SchKG; RICH-NER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 9).
Mit der Eröffnung des Konkurses können mit Ausnahme dringlicher Fälle Verwaltungsverfahren sistiert werden. Das Veranlagungsverfahren ist diesfalls blockiert. Konkursverfahren sollen innert einem Jahr nach deren Eröffnung abgeschlossen sein (Art. 270 Abs. 1 SchKG). 
Gewährt das Nachlassgericht eine (provisorische oder definitive) Nachlassstundung (Art. 293a ff. SchKG), so werden hängige Verwaltungsverfahren mit Ausnahme dringlicher Fälle von Amtes wegen sistiert. Diese automatische Sistierung der Verjährungsfrist gilt aber nur für sog. Nachlassforderungen (vgl. UMBACH-SPAHN/KESSELBACH/BOSSART, in: KREN KOSTKIEWICZ/VOCK [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG, Schulthess Kommentar, 4. Aufl., Zürich 2017, Art. 297 N 13 und 15), also Forderungen, die im Nachlassverfahren eingegeben wurden. Die Nachlassstundung dauert unter Berücksichtigung sämtlicher Verlängerungsmöglichkeiten maximal 34 Monate (vgl. Art. 293a Abs. 2, 294 Abs. 1 und 295b Abs. 1 SchKG).


3.2       Gründe, aus denen die Frist neu zu laufen beginnt

Die nachfolgend genannten Gründe sind sog. Unterbrechungsgründe. Das bedeutet, dass die relative Verjährungsfrist am Tag, an dem ein solcher Unterbrechungsgrund ein-tritt, neu zu laufen beginnt. Dies wiederum für fünf Jahre und jedes Mal von Neuem, wenn ein weiterer Unterbrechungsgrund eintritt. Man rechnet hierbei auf den Tag genau. Logischerweise wirken Handlungen, die die Verjährung unterbrechen, erst nach Ablauf der entsprechenden Steuerperiode, da ja zuvor die Verjährungsfrist noch gar nicht zu lau-fen begonnen hat (vgl. RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 23 f.).


3.2.1     Amtshandlung der Steuerbehörde

Das Steueramt kann auf die relative Verjährungsfrist Einfluss nehmen, indem es eine Amtshandlung vornimmt, mit der es seine Steuerforderung feststellt oder geltend macht (§ 138 Abs. 3 Bst. a StG). Vorausgesetzt wird weiter, dass diese Amtshandlung dem Steu-erpflichtigen oder der mithaftenden Person (bei natürlichen Personen: § 19 StG [vgl. StB SO § 139 Nr. 1]; bei juristischen Personen: § 89 StG) zur Kenntnis gebracht wird.
Als Amtshandlung geltend alle Veranlagungs- und Bezugshandlungen; so etwa die fol-genden (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 11 und 19):
–    die Eingabe der Steuerforderung in das Erbschaftsinventar der verstorbenen steuer-
      pflichtigen Person (§§ 173 ff. StG);
–    ein Schreiben, mit dem die Steuerforderung erneut geltend gemacht wird und das nur
      dazu dient, die Verjährungsfrist zu unterbrechen. Eine Amtshandlung gilt dann als «zur
      Kenntnis gebracht», wenn (BEUSCH, in: ZWEI-FEL/ATHANAS, DBG, Art. 120 N 48 ff.):
–    der Steuerpflichtige am letzten Tag der relativen Verjährungsfrist die Amtshandlung
      erkennen konnte, was bei einer Zustellung mit Abholeinladung am letzten Tag der
      Abholfrist der Fall ist (sofern der Steuerpflichtige mit der Zustellung rechnen musste);
–    bei einem vertretenen Steuerpflichtigen der Vertreter (§ 133 StG; StB SO § 133 Nr. 1) von
      der Amtshandlung Kenntnis erhält;
–    bei einer juristischen Person eines ihrer Organe oder ein Dritter, der sich als Vertreter der
      juristischen Person zu erkennen gibt (insb. auch sog. «faktische Organe»), von der
      Amtshandlung Kenntnis erhält.


3.2.2    Anerkennung der Steuerforderung

Die steuerpflichtige Person oder die mithaftende Person (bei natürlichen Personen: § 19 StG [vgl. StB SO § 139 Nr. 1]; bei juristischen Personen: § 89 StG) kann die relative Verjährungsfrist unterbrechen, indem sie die Steuerforderung ausdrücklich anerkennt (§ 138 Abs. 3 lit. b StG). Dabei genügt es, dass aus dem Verhalten auf eine ausdrückliche Anerkennung geschlossen werden kann. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Teilzahlung erfolgt oder ein Stundungsgesuch gestellt wird (RICHNER/FREI/KAUFMANN/ MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 12). 


3.2.3    Einleitung eines Erlassverfahrens

Mit dem Einreichen eines Erlassgesuches bei der Erlassabteilung des Finanzdepartements (§ 182 Abs. 2 StG und §§ 5 ff. StVO Nr. 11 [Steuerverordnung Nr. 11: Zahlungserleichterungen, Erlass und Abschreibungen; BGS 614.159.11]) wird die relative Verjährungsfrist unterbrochen (§ 138 Abs. 3 lit. c StG). Da ein Steuererlass eine rechtskräftige Veranlagung voraussetzt (§ 5 Abs. 1 StVO Nr. 11), spielt dieser Unterbrechungsgrund nur bei der Bezugsverjährung (StB SO § 139 Nr. 1) eine Rolle.
Wird ein Erlass bereits im Veranlagungsverfahren beantragt (§ 182 Abs. 3 StG und § 5 Abs. 2 StVO Nr. 11), wird demgegenüber die Veranlagungsverjährung unterbrochen.
Für den Erlass von Quellensteuern ist das Steueramt zuständig (§ 182 Abs. 4 StG). Im Übri-gen kann auf die vorstehenden Absätze verwiesen werden.
Wird der Steuererlass gewährt, stellt sich die Frage der Verjährung nicht mehr, da die Steuerforderung nicht mehr besteht.


3.2.4     Einleitung einer Strafverfolgung

Wird eine Strafverfolgung wegen vollendeter Steuerhinterziehung (§ 189 StG) oder we-gen eines Steuervergehens (§ 200 f. StG) eingeleitet, führt dies zu einer Unterbrechung der relativen Verjährungsfrist (§ 138 Abs. 3 lit. d StG). Hängt die Einleitung der Strafverfolgung von einer rechtskräftigen Veranlagung ab, betrifft dieser Unterbrechungsgrund nur die Bezugsverjährung.
Dasselbe gilt bei Anstiftung, Gehilfenschaft und Mitwirkung, und zwar einerseits bei Steuerhinterziehung (§ 191 Abs. 1 StG) und andererseits bei Steuerbetrug (§ 200 Abs. 1 StG).


4         Folgen der Verjährung

Die Bezugsverjährung ist von Amtes wegen zu berücksichtigen (vgl. RICHNER/FREI/KAUF-MANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 121 N 6). Die Steuerforderung bleibt als sog. Naturalobligation bestehen. Darunter versteht man eine «unvollkommene» Schuld, die aus einem besonderen Grund nicht auf normalem Wege eingeklagt und vollstreckt werden kann. Bei einer verjährten Forderung kann das Steueramt die Bezahlung der Steuern grundsätzlich nicht mehr verlangen (vgl. VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Band I, 3. Auflage, Zürich 1979, S. 32 f. und 35). Zahlt der Steuerpflichtige jedoch freiwillig nach Eintritt der relativen Bezugsverjährung, kann er diesen Betrag nicht mehr zurückfordern. Dabei spielt es keine Rolle, ob er von der Verjährung wusste oder nicht (BINDER, a.a.O. S. 315 f.).
Anders sieht es bei Eintritt der absoluten Bezugsverjährung aus: Da diese als Verwirkungsfrist ausgestaltet ist, geht der Steueranspruch selbst unter (vgl. BINDER, a.a.O., S. 321).


5         Abgrenzungen

Von der Bezugsverjährung abzugrenzen sind insbesondere die nachfolgend aufgeführten Rechtsinstitute (hierzu eine Auswahl bei RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 120 N 1 m.w.N.).


5.1      Verjährung von Steuerforderungen, für die ein Verlustschein besteht

Wurde eine Steuerforderung erfolglos betrieben, erhält das Steueramt für den ungedeckt gebliebenen Betrag einen Verlustschein. Dabei handelt es sich in aller Regel um einen Pfändungsverlustschein (Art. 149 SchKG), allenfalls auch um einen Konkursverlustschein (Art. 265 SchKG). Was die Verjährung angeht, so gilt für beide Arten von Verlustscheinen dasselbe: Die durch den Verlustschein verurkundete Forderung verjährt 20 Jahre nach der Ausstellung des Verlustscheins (§ 139 Abs. 3 Satz 2 StG i.V.m. Art. 149a Abs. 1 SchKG [bis zum 31. Dezember 1996 waren Verlustscheine noch unverjährbar]; im DBG besteht kein solcher Verweis, jedoch gilt dasselbe [vgl. hierzu BEUSCH, in: ZWEIFEL/ATHANAS, DBG, Art. 120 N 7a]).
Diese Verjährungsfrist kann unterbrochen werden, wobei hier nicht die Bestimmungen des Steuerrechts, sondern des Obligationenrechts Anwendung finden. Es gibt keine abso-lute Verjährungsfrist. 


5.2       Verjährung der Revision

Steuerpflichtige müssen Revisionsgesuche innert 90 Tagen seit der Entdeckung des Revisionsgrunds, spätestens aber innert 10 Jahren seit der Eröffnung der zu revidierenden Verfügung oder des zu revidierenden Entscheids einreichen (§ 165 Abs. 2 StG).


5.3       Verjährung der Berichtigung

Rechnungsfehler und Schreibversehen in rechtskräftigen Verfügungen und Entscheiden können innert fünf Jahren seit Eröffnung auf Antrag oder von Amtes wegen berichtigt werden (§ 169 Abs. 1 StG).


5.4       Verjährung des Anspruchs auf Steuerrückerstattung
Steuerpflichtige können beim Steueramt einen Rückerstattungsantrag stellen, wenn sie nicht geschuldete Staatsteuern und Bussen im Voraus bezahlt haben und wenn die Rückerstattung nicht von Amtes wegen verfolgt. Der Rückerstattungsanspruch erlischt fünf Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Zahlung geleistet wurde (§ 183 Abs. 2 Satz 3 StG).


5.5       Verjährung im Steuerstrafrecht

Die Strafverfolgung bei Verletzung von Verfahrenspflichten und Steuerhinterziehung verjährt nach § 198 StG, die Strafverfolgung von Steuervergehen nach § 203 bzw. § 204 StG. Der Bezug von im Steuerstrafverfahren ausgefällten Bussen und Kosten verjährt nach § 139 StG (vgl. Verweis in § 199 StG).


5.6       Verwirkung

Während die Verjährung einer Forderung bewirkt, dass diese nicht mehr rechtlich durchgesetzt werden kann (obwohl sie weiterhin bestehen bleibt), geht mit der sog. Verwirkung die Forderung als solche unter. Die Verwirkungsfrist kann weder stillstehen noch unterbrochen werden.
Ist eine absolute Verjährungsfrist abgelaufen, führt dies immer auch zu einer Verwirkung der entsprechenden Forderung. Die Verwirkung setzt allerdings nicht immer voraus, dass die entsprechende Forderung auch verjährt ist: Auch andere Umstände können eine Verwirkung auslösen (z.B. das Nichteinhalten einer gesetzlichen Verpflichtung; in diesem Sinne Michael BEUSCH, Der Untergang der Steuerforderung, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 231).


5.7        Verwirkung im Nachsteuerverfahren
Das Recht, ein Nachsteuerverfahren einzuleiten, erlischt 10 Jahre nach Ablauf der Steuer-periode, für die eine Veranlagung zu Unrecht unterblieben oder eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist bzw. 10 Jahre nach dem steuerbegründenden Tatbestand. Das Recht, die Nachsteuer festzusetzen, erlischt 15 Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, auf die sie sich bezieht (§ 171 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StG).
Die Einleitung eines solchen Nachsteuerverfahrens ist selbst dann möglich, wenn die relative Veranlagungsverjährung der ordentlichen Veranlagung eingetreten ist (BEUSCH, in: ZWEIFEL/BEUSCH, DBG, Art. 120 N 59).


5.8        Verwirkung von Gemeindesteuern
Die Einwohner- und Kirchgemeinden erheben eine Einkommens- und eine Vermögenssteuer von den natürlichen Personen sowie eine Gewinn- und eine Kapitalsteuer von den juristischen Personen (§ 2 Abs. 1 StG). Sie stützen sich dabei auf die Veranlagung der direkten Staatssteuer (§ 246 Abs. 4 StG). Das Recht, eine Gemeindesteuer zu berechnen, erlischt 5 Jahre nach Rechtskraft der Staatssteuerveranlagung, frühestens aber 5 Jahre nach Ablauf der Steuerperiode (§ 254 StG). Es handelt sich dabei um eine Verwirkungsfrist.


5.9        Eintragungsfrist für das gesetzliche Pfandrecht (Grundstückgewinnsteuer)
Für die Grundstückgewinnsteuer besteht am veräusserten Grundstück ein gesetzliches Pfandrecht. Übersteigt das Pfandrecht den Betrag von CHF 1'000, so ist es innert vier Monaten nach der Fälligkeit der Grundstückgewinnsteuer, spätestens jedoch innert zwei Jahren seit der Veräusserung des Grundstücks im Grundbuch einzutragen. Ansonsten kann die (verspätete) Eintragung des Pfandrechts gutgläubigen Dritten nicht mehr entgegengehalten werden. Dabei handelt es sich nicht um eine eigentliche Verwirkungsfrist. Es stellt sich lediglich die Frage, wie lange sich Dritte darauf verlassen können, dass ein Grundstück nicht mit einem Steuergrundpfandrecht belastet ist (in diesem Sinne Peter STÄHLI, Das Steuergrundpfandrecht unter besonderer Berücksichtigung des bernischen Rechtes, Bern 2006, N 4.435 und N 4.439 ff.). Läuft die Eintragungsfrist unbenutzt ab, hat dies unter dem Strich jedoch ähnliche Folgen wie eine Verjährung bzw. Verwirkung der Steuerforderung: Hat der Dritte das Grundstück im guten Glauben erworben, dass es nicht mit Steuergrundpfandrechten belastet ist, kann das Steueramt ihm gegenüber das Pfand-recht bzw. die dahinterstehende Steuerforderung nicht geltend machen.


6           Direkte Bundessteuer

Die Regelung bei der direkten Bundessteuer ist identisch.