Haftung und Mithaftung für die Steuer

 

Gesetzliche Grundlagen

§ 19 StG

§ 7 Abs. 1 VV StG

§ 5 Abs. 2 VV StG

Art. 13 DBG

 

Weitere Grundlagen

Kreisschreiben der ESTV Nr. 30 vom 21.12.2010, „Ehepaar- und Familienbesteuerung nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG)“, Seiten 9-11

 

Inhalt

1             Grundsätzliches zur Aufhebung der Solidarhaftung bei Ehegatten

1.1          Zahlungsunfähigkeit (§ 19 Abs. 1 StG)

1.2          Gesuch um Aufhebung der Solidarhaftung (Erlass einer Mithaftungsverfügung,  § 19 Abs. 4 StG)

1.3          Haftung für den Teil der Gesamtsteuer, der auf das Kindereinkommen und Kinder­vermögen entfällt (§ 19 Abs. 1 letzter Satz StG)

2             Weitere solidarische Mithaftung mit dem Steuerpflichtigen.

2.1          Kinderhaftung (§ 19 Abs. 2 lit. a StG)

2.2          Liquidatorenhaftung (§ 19 Abs. 2 lit. b StG)

2.3          Käufer und Verkäufer von Liegenschaften (§ 19 Abs. 2 lit. c StG)

3             Haftung des Erbschaftsverwalters und Willensvollstreckers

4             Direkte Bundessteuer

 

1             Grundsätzliches zur Aufhebung der Solidarhaftung bei Ehegatten

Sowohl beim Bund als auch beim Kanton haften Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, solidarisch für die Gesamtsteuer. Dies bedeutet, dass jeder einzelne Ehegatte vollumfänglich für sämtliche ausstehenden Steuerschulden haftet. Ist einer der beiden Ehegatten zahlungsunfähig, so haftet jeder nur noch für seinen Anteil, unabhängig von einer allfälligen Trennung. Beim Kanton bewirkt die Ehetrennung keine Aufhebung der Solidarhaftung, beim Bund hingegen schon (Art. 13 Abs. 2 DBG). Eine Aufhebung der Solidarhaftung kann bei der Staatssteuer somit nur verfügt werden, wenn einer der beiden Ehegatten zahlungsunfähig ist. Beim Bund hingegen kann bereits bei Vorliegen einer Ehetrennung eine Mithaftungsverfügung (= Aufhebung Solidarhaftung) erlassen werden. Die Gemeindesteuern werden analog der Staatssteuern aufgeteilt. Kann also infolge Ehetrennung nur die direkte Bundessteuer aufgeteilt werden, die Staatssteuer jedoch mangels Zahlungsunfähigkeit nicht, so kann auch die Gemeindesteuer nicht aufgeteilt werden, und jeder Ehegatte haftet vollumfänglich für die Steuerschulden bei Kanton und Gemeinde.

1.1         Zahlungsunfähigkeit (§ 19 Abs. 1 StG)

Die Zahlungsunfähigkeit setzt das dauernde Unvermögen eines Ehegatten voraus, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Ein kurzfristiger finanzieller Engpass begründet dagegen noch keine Zahlungsunfähigkeit. Ebenso stellt eine fruchtlose Betreibung für Steuern noch keinen genügenden Hinweis auf eine Zahlungsunfähigkeit dar. Es kommt nämlich vor, dass die steuerpflichtige Person einen Teil der Forderungen begleicht. Damit zeigt sie, dass sie nach wie vor über flüssige Mittel verfügt. Solange anderweitige Forderungen beglichen werden können, liegt noch keine Zahlungsunfähigkeit vor. Aus diesem Grund ist auch der Umstand, dass Verlustscheine ausgestellt worden sind, nur ein Indiz für das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit. Betreffen jedoch die Verlustscheine ausschliesslich die öffentliche Hand, so ist eher von einer Zahlungsunwilligkeit gegenüber der öffentlichen Hand auszugehen (Michael Schwaller, Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit bei der solidarischen Haftung der Ehegatten, ASA 80, S. 659ff.).

Einen Hinweis auf Zahlungsunfähigkeit geben definitive Verlustscheine, eine Konkurseröffnung oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung. Wurde über beide Ehegatten der Konkurs eröffnet, so kann keine Mithaftungsverfügung erlassen werden. Sinn und Zweck der Mithaftungsverfügung ist die Vermeidung eines Härtefalles, wenn ein Ehegatte den auf seinen zahlungsunfähigen Partner entfallenden Anteil leistet, ohne Aussicht, diesen Anteil jemals zurück zu erhalten. Sind beide Ehegatten zahlungsunfähig, so besteht kein solcher Härtefall.

1.2         Gesuch um Aufhebung der Solidarhaftung (Erlass einer Mithaftungsverfügung, § 19 Abs. 4 StG)

Trennen sich die Ehegatten, so werden allfällig vorhandene Steuerschulden auch bei der direkten Bundessteuer nicht automatisch aufgeteilt. Es ist in jedem Fall ein schriftliches Gesuch eines Ehegatten notwendig, der um Aufhebung der Solidarhaftung ersucht. Mit dem Gesuch sind, falls nicht nur die direkte Bundessteuer, sondern auch die Staatssteuer aufzuteilen ist, unbedingt Unterlagen, welche die Zahlungsunfähigkeit belegen, einzureichen! Dies können ein Betreibungsregisterauszug, ein Nachlassvertrag, ein Sozialhilfebudget oder eine anderweitige Aufstellung über Einkommen und Vermögen sein. Zu beachten ist, dass ein geringes Einkommen als solches noch keine Zahlungsunfähigkeit darstellt! Ausserdem können für eine Mithaftungsverfügung nur definitive, rechtskräftige Veranlagungen berücksichtigt werden.

Sind die Voraussetzungen für eine Aufteilung der Steuerschulden gegeben, so werden diese anteilsmässig auf die beiden Ehegatten verteilt. Massgebend ist dabei, welcher Ehegatte in der betreffenden Steuerperiode welches Einkommen hatte. Dementsprechend werden die noch offenen Steuerschulden prozentual auf die beiden Ehegatten verteilt. Bereits geleistete Zahlungen werden, sofern sie nicht einem Ehegatten zuzuordnen sind, ebenfalls prozentual auf die beiden Ehegatten verteilt.

1.3         Haftung für den Teil der Gesamtsteuer, der auf das Kindereinkommen und Kindervermögen entfällt (§ 19 Abs. 1 letzter Satz StG)

Anders als bei den Steuerschulden aufgrund des ehelichen Einkommens besteht hier keine Haftungseinschränkung für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Kindes oder eines Ehegatten. Bei rechtlich oder tatsächlich getrennter Ehe gilt die Solidarhaftung weiterhin für die noch offenen Steuerschulden, die sich auf das Kindesvermögen und -einkommen beziehen. Für künftige Steuerschulden haftet dann aber nur noch derjenige Elternteil, der die elterliche Sorge innehat. Steht die elterliche Sorge beiden Elternteilen zu, so haftet derjenige Elternteil, dem die überwiegende Obhut über das Kind zusteht (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar DBG, Art. 13 N. 16). Die kantonale Regelung entspricht derjenigen auf Bundesebene (§ 19 Abs. 1 letzter Satz StG entspricht Art. 13 Abs. 1 letzter Satz DBG).

 

2             Weitere solidarische Mithaftung mit dem Steuerpflichtigen

Nicht nur Ehegatten haften solidarisch für die Steuerschulden aus der gemeinsamen Ehezeit, sondern es gibt noch weitere Fälle, in denen eine solidarische Haftung besteht. So haften beispielsweise Kinder oder Erben solidarisch für die anfallenden Steuern. Nachfolgend sind die einzelnen Haftungstatbestände nach § 19 Abs. 2 StG aufgeführt.

2.1         Kinderhaftung (§ 19 Abs. 2 lit. a StG)

Die unter elterlicher Sorge stehenden Kinder haften solidarisch mit dem Steuerpflichtigen für ihren Anteil an der Gesamtsteuer. Das unter elterlicher Sorge stehende Kind wird selbständig besteuert, wenn es ein Erwerbseinkommen besitzt. Es haftet für diese Steuerforderung mit seinem Kindesvermögen vollumfänglich. Der Inhaber der elterlichen Sorge schuldet die Steuer auf dem übrigen Einkommen des Kindes. Bezahlt er diese Steuerschuld nicht, so haftet das minderjährige Kind solidarisch mit seinem Vermögen für diese Steuerschuld. Allerdings ist die Höhe der Haftung beschränkt auf den Betrag der auf den Anteil des Kindes an der Gesamtsteuer (Müller, Solidarische Mithaftung, S. 224). Auch hier entspricht die kantonale Regelung derjenigen auf Bundesebene (§ 19 Abs. 2 lit. a StG entspricht Art. 13 Abs. 3 lit. a DBG).

2.2         Liquidatorenhaftung (§ 19 Abs. 2 lit. b StG)

Die Liquidation von Geschäftsbetrieben und Betriebsstätten sowie im Kanton gelegenen Grundstücken oder durch solche gesicherte Forderungen begründen ebenfalls eine solidarische Haftung für die anfallenden Steuern, sofern die Steuerpflichtigen keinen Wohnsitz in der Schweiz haben. Es haften solidarisch die mit der Auflösung betrauten Personen. Dies kann auch den für die Liquidation verantwortlichen Treuhänder treffen. Die Haftung umfasst nicht nur im Zusammenhang mit der Liquidation angefallene Steuern, sondern sämtliche noch offenen Steuerschulden. Der Betrag ist jedoch beschränkt bis zum Betrag des Liquidationsergebnisses (Bund: Reinerlös). Der Sorgfaltsbeweis entlastet einen allfälligen Liquidator nicht von der Solidarhaftung (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar DBG, Art. 13 N. 27 ff.). Diese Regelung in § 19 Abs. 2 lit. b StG entspricht Art. 13 Abs. 3 lit. d DBG.

2.3         Käufer und Verkäufer von Liegenschaften (§ 19 Abs. 2 lit. c StG)

Sowohl beim Kanton als auch beim Bund (§ 19 Abs. 2 lit. c StG und Art. 13 Abs. 3 lit. c DBG) haften Käufer und Verkäufer von im Kanton (Bund: in der Schweiz) gelegenen Liegenschaften bis zu 3% der Kaufsumme für die vom Händler oder Vermittler aus dieser Tätigkeit geschuldeten Staats- und Gemeindesteuer, wenn der Händler oder Vermittler in der Schweiz keinen steuerrechtlichen Wohnsitz hat. Die Haftung besteht für sämtliche Steuern, die der Händler oder Vermittler der Schweiz wegen dessen Händler- oder Vermittlertätigkeit schuldet. Die Haftung gilt jedoch nur, wenn der Käufer oder Verkäufer dem Händler oder Vermittler einen Auftrag gegeben hat (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar DBG, Art. 13 N. 22 ff.).

 

3             Haftung des Erbschaftsverwalters und Willensvollstreckers

Auch in diesem Bereich sind Bundesrecht (Art. 13 Abs. 4 DBG) und kantonales Recht (§ 19 Abs. 3 StG) nahezu identisch. Der einzige Unterschied besteht darin, dass im kantonalen Recht der Erbschaftsverwalter und der Willensvollstrecker nur haften, wenn der Steuernachfolger keinen steuerrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz hat. Beim Bundesrecht dagegen haften Erbschaftsverwalter und Willensvollstrecker für die Steuern des Erblassers in jedem Fall, unabhängig vom Wohnsitz des Steuernachfolgers. Die Haftung ist beschränkt auf denjenigen Betrag, der nach dem Stand des Nachlassvermögens im Zeitpunkt des Todes des Erblassers auf die Steuer entfällt. Ausserdem gibt es die Möglichkeit des Entlastungsbeweises. Danach entfällt die Haftung, wenn der Haftende nachweisen kann, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat. Dies gilt sowohl im Bundes- wie auch im kantonalen Recht (Müller, Solidarische Mithaftung, S. 231 ff.).

 

4             Direkte Bundessteuer

Die Regelung im DBG ist, wie oben erwähnt, praktisch identisch mit derjenigen im kantonalen Recht. Art. 13 DBG enthält einzig in Abs. 3 lit. b einen zusätzlichen Haftungstatbestand, den das kantonale Recht nicht kennt. Danach haften mit dem Steuerpflichtigen solidarisch die in der Schweiz wohnenden Teilhaber an einer einfachen Gesellschaft, Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft bis zum Betrage ihrer Gesellschaftsanteile für die Steuern der im Ausland wohnenden Teilhaber. Es handelt sich also auch hier um eine auf den Gesellschaftsanteil beschränkte Haftung. Unter Gesellschaftsanteil ist der Anteil zu verstehen, den der Gesellschafter beanspruchen könnte, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung liquidiert würde. Dazu gehören auch die stillen Reserven (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar DBG, Art. 13 N. 18 ff.).