Abschreibungen, Rückstellungen und Wertberichtigungen

 

Gesetzliche Grundlagen
§ 34 Abs. 1 lit. a StG    
§ 35 StG       
§ 35bis StG 
§ 290 StG    
§ 16 VV StG     
§ 16ter VV StG

 

Weitere Grundlagen

  • Merkblatt der ESTV (Merkblatt A 1995) über Abschreibungen auf dem Anlagevermögen geschäftlicher Betriebe;
  • Merkblatt der ESTV (Merkblatt A 1995) über Abschreibungen auf dem Anlagevermögen der Elektrizitätswerke;
  • Merkblatt der ESTV (Merkblatt A 1995) über Abschreibungen auf Luftseilbahnen;
  • Merkblatt der ESTV (Merkblatt A 1995) über Abschreibungen auf Schiffen und Schifffahrtsanlagen;
  • Merkblatt der ESTV (Merkblatt A 2001) über Abschreibungen auf dem Anlagevermögen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe;
  • Steuerverordnung Nr. 19: Steuerfreie Rücklagen für Forschung, Betriebsumstellungen und Betriebsumstrukturierungen (BGS 614.159.19; aufgehoben per 1. Januar 2020).

Inhalt


1         Bewertungsgrundsätze
1.1      Wertansätze
1.2      Grundsatz der Einzelbewertung
2         Abschreibungen
2.1      Allgemeines
2.2      Abschreibungsmethoden
2.3      Abschreibungsumfang
2.3.1   Geschäftsbetriebe (ohne Landwirtschaft)
2.3.2   Landwirtschafts- und forstwirtschaftliche Betriebe
2.3.3   Korrektur übermässiger Abschreibungen
2.3.4   Nachholen von Abschreibungen
2.3.5   Abschreibung aufgewerteter Aktiven
2.3.6   Zusatzabschreibungen
2.4      Besondere Fälle
2.4.1   Grund und Boden
2.4.2   Aktiven des Umlaufvermögens
2.4.3   Aktiven des Anlagevermögens
2.4.4   Anlagen für den Umweltschutz
2.4.5   Vermietetes oder verpachtetes Betriebsinventar
3         Rückstellungen und Wertberichtigungen
3.1      Allgemeines
3.2      Zulässige Rückstellungen und Wertberichtigungen im Steuerrecht
3.3      Anwendungsfälle
3.3.1   Rückstellungen für Verpflichtungen
3.3.2   Wertberichtigungen auf Aktiven des Umlaufvermögens
3.3.3   Rückstellungen für unmittelbar drohende Verlustrisiken
3.3.4   Rücklagen für Forschungs- und Entwicklungsaufträge
4         Steuerfreie Rücklagen für Betriebsumstellungen und Betriebsumstrukturierungen
5         Direkte Bundessteuer


Bewertungsgrundsätze


1.1          Wertansätze

Das Vorsichtsprinzip kommt auch in den Bewertungsbestimmungen zum Ausdruck, wenn auch mit der Einschränkung, dass durch eine vorsichtige Bewertung eine zuverlässige Be-urteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens nicht verhindert werden darf 
(Art. 960 Abs. 2 OR).
Das Rechnungslegungsrecht differenziert zwischen der Erstbewertung (Art. 960a Abs. 1 OR) und der Folgebewertung (Art. 960a Abs. 2 OR). Im Zeitpunkt der Ersterfassung von Aktiven werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten herangezogen (Kostenwert-prinzip). An diesem Prinzip als Höchstwert wird auch für die Folgebewertung grundsätz-lich festgehalten. Eine auf dem Aktivum eingetretene Wertsteigerung darf in der Bilanz somit nicht offengelegt werden. Einem Wertverlust des Aktivums muss hingegen durch Abschreibungen oder Wertberichtigungen Rechnung getragen werden (Art. 960a Abs. 3 OR). Abschreibungen oder Wertberichtigungen sind bei Anlagegütern notwendig, wenn der Nutzungswert, d.h. der Wert, der dem Aktivum unter Berücksichtigung des Fortfüh-rungsprinzips konkret für das Unternehmen zukommt, unter den Kostenwert fällt. Vorrä-te und nicht fakturierte Dienstleistungen müssen zudem zum Veräusserungswert einge-setzt werden, wenn dieser Wert tiefer liegt als die Anschaffungs- oder Herstellkosten
(Art. 960c Abs. 1 OR). Eine Ausnahme vom Kostenwertprinzip in der Folgebewertung sta-tuiert Art. 960b OR für Aktiven mit Börsenkurs oder einem anderen beobachtbaren Marktpreis, die zum Kurs- oder Marktpreis am Bilanzstichtag bewertet werden dürfen (vgl. Ziffer 2.4.2.b). 
Verbindlichkeiten müssen zwingend zum Nennwert bewertet werden (Art. 960 Abs. 3 OR). Die Bewertung zum allfällig niedrigeren Marktpreis ist daher ausgeschlossen.
Besondere Bestimmungen gelten für die Rechnungslegung bei Liquidation (Art. 742 OR) und die Aufwertung nach Art. 670 OR.

 

1.2          Grundsatz der Einzelbewertung

Das Rechnungslegungsrecht verlangt, dass Aktiven und Verbindlichkeiten in der Regel einzeln bewertet werden, sofern sie wesentlich sind und aufgrund ihrer Gleichartigkeit für die Bewertung nicht üblicherweise als Gruppe zusammengefasst werden (Art. 960
Abs. 1 OR). Dieser Grundsatz ist auch aus steuerrechtlicher Sicht von Bedeutung. Gruppenbewertungen können nicht nur gegen handelsrechtliche, sondern auch gegen steuerrechtliche Gewinnermittlungsvorschriften verstossen, insb. gegen die Abschreibungsvorschriften und das auch aus steuerrechtlicher Sicht tragende Realisationsprinzip. Aufgrund der Analyse der Schweizerischen Steuerkonferenz zum neuen Rechnungslegungsrecht müssen Liegenschaften und Beteiligungen einzeln bewertet werden.


2            Abschreibungen

2.1         Allgemeines


Unter einer Abschreibung wird die gewinnschmälernde Herabsetzung des Einkommens-steuerwertes eines Wirtschaftsguts zulasten der Erfolgsrechnung verstanden. Damit wird der Entwertung des Vermögensobjekts Rechnung getragen. Die Abschreibung ist definitiv.
Abschreibungen sind steuerrechtlich zulässig, wenn und soweit sie geschäftsmässig be-gründet sind (§ 34 Abs. 1 lit. a StG). Das heisst, Abschreibungen (einkommenssteuermindernd) dürfen nur auf Gegenständen des Geschäftsvermögens vorgenommen werden und auf Gegenständen, welche tatsächlich einer Entwertung ausgesetzt sind. Als Geschäfts-vermögen von natürlichen Personen gelten alle Vermögenswerte, die ganz oder überwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit dienen (vergleiche hierzu StB SO § 24 Nr. 2). Folglich können auf Gegenständen, die nur zum kleineren Teil geschäftlich genutzt werden, keine Abschreibungen vorgenommen werden. Das gilt nicht nur für Liegenschaften, sondern auch für bewegliche Vermögenswerte (z. B. Auto). 
Mit der Abschreibung wird der Wertverlust eines Vermögensgegenstandes auf die mutmassliche Nutzungsdauer verteilt. Die genaue Höhe der effektiv notwendigen Abschreibung ist, weil die Nutzungsdauer und der Endwert häufig unbestimmt sind, schwer nach-zuweisen. Das Steueramt hat deshalb Abschreibungssätze für die verschiedenen Arten von Anlagevermögen festgelegt (Ziffer 2.3). Solange die Abschreibungen im Rahmen der Ab-schreibungssätze bleiben, gelten sie grundsätzlich als geschäftsmässig begründet (vgl. dazu Urteil des BGer 2C_814/2016 vom 26. Oktober 2017).
Aufgrund der klaren Trennung zwischen Abschreibungen und Wertberichtigungen nach dem neuen Rechnungslegungsrecht nach Art. 960a Abs. 3 OR ist auf anderweitige ausser-ordentliche Wertverluste mit Wertberichtigungen zu reagieren (§ 35bis Abs. 2 StG). Diese stellen somit ausserplanmässige Wertkorrekturen dar, die auf dem Anlage- wie auch Um-laufvermögen eintreten können (Ziffer 2.4).
Abschreibungen sind durch eine ordnungsgemäss geführte Buchhaltung oder durch gesonderte Abschreibungstabellen nachzuweisen. Auf Vermögensgegenständen, die nicht in der Buchhaltung oder in Abschreibungstabellen enthalten sind, darf nicht abgeschrieben werden. Bei Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen wird der erfahrungsgemässen Wertminderung Rechnung getragen.

2.2          Abschreibungsmethoden

Abschreibungen können grundsätzlich linear oder degressiv, jedoch ab 1. Januar 2020 nicht mehr sofort (sog. Einmalabschreibung) vorgenommen werden. Selbst unter der Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips ist die Einmalabschreibung problematisch, da diese die zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens verhindert.

Abschreibungsmethoden

Degressive Abschreibungsmethode

Die steuerlich zulässige Abschreibung wird in Prozenten vom Buchwert bzw. Restwert berechnet. Diese Methode belastet die Erfolgsrechnung in den ersten Jahren stärker als in der letzten Nutzungsphase.

Lineare Abschreibungsmethode

Die steuerlich zulässige Abschreibung bemisst sich in Prozenten vom ursprünglichen Anschaffungswert und verteilt sich gleichmässig (linear) über die gesamte Lebensdauer. Der Abschreibungsbetrag bleibt konstant.

Beispiel

Am 1. Januar 2020 wird zum Preis von CHF 4'000 ein zusätzliches Motorfahrzeug gekauft. Gemäss Ziffer 2.3.1 beträgt der Abschreibungssatz vom Buchwert 40 % und vom Anschaffungswert 20 %.

 

Degressive Methode

Lineare Methode

Anschaffungswert per 01.01.2020

Abschreibung 2020

Buchwert per 31.12.2020

Abschreibung 2021

Buchwert per 31.12.2021

Abschreibung 2022

Buchwert per 31.12.2022

Abschreibung 2023

Buchwert per 31.12.2023

Abschreibung 2024

Buchwert per 31.12.2024

Abschreibung 2025

Buchwert per 31.12.2025

  4'000

- 1'600

  2'400

-    960

  1'440

-   576

    864

-   346

    518

-  207

    311

-   124

    187

  4'000

-   800

  3'200

-   800

  2'400

-   800

  1'600

-   800

    800

-   800

        0

        0

        0


2.3           Abschreibungsumfang

Mit dem im 2013 in Kraft getretenen neuen Rechnungslegungsrecht müssen Abschreibungen nach den allgemein anerkannten kaufmännischen Grundsätzen vorgenommen werden und damit dem tatsächlichen Wertverzehr und der betriebswirtschaftlichen Realität entsprechen. Insbesondere die bisher gewährten Abschreibungssätze auf dem unbeweglichen Anlagevermögen haben die betriebswirtschaftliche Realität zum Teil weit übertroffen und sind mit den Grundsätzen nicht vereinbar. Deshalb wendet das Kantonale Steueramt Solothurn mit der Teilrevision der Vollzugsverordnung zum Gesetz über die Staats- und Gemeindesteuern ab 1. Januar 2020 dieselben Abschreibungssätze (vgl. Ziffer 2.3.1 und 2.3.2) der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) an[1]. Mit der Anwendung der Abschreibungssätze der ESTV wird eine gesetzeskonforme Praxis umgesetzt.

Diese Abschreibungssätze variieren je nach Art des Anlagevermögens zwischen 1.5 %
(z.B. Wohngebäude mit Boden) und 100 % (z.B. EDV-Software). Diese Sätze beziehen sich jeweils auf den Buchwert (degressive Methode). Für Abschreibungen auf dem Anschaffungswert (lineare Methode) werden die nachfolgenden Sätze um die Hälfte reduziert. Die einmal gewählte Abschreibungsmethode ist über einen längeren Zeitraum (mehrere Jahre, in der Regel 5 Jahre) beizubehalten. Ein Methodenwechsel ist mit der zuständigen Veranlagungsbehörde vorgängig abzusprechen.

2.3.1         Geschäftsbetriebe (ohne Landwirtschaft)

Für Geschäftsbetriebe sind pro Jahr folgende Abschreibungen vom Buchwert zulässig:

 

Aktivum

bis 31.12.2019

ab 1.1.2020

Wohngebäude (vgl. Ziffer 2.4.1)

 

 

  • auf Gebäude allein

4 %

2 %

  • auf Gebäude und Land zusammen

3 %

1.5 %

Geschäftshäuser, Büro- und Bankgebäude, Warenhäuser, Kinogebäude (vgl. Ziffer 2.4.1)

 

 

 

  • auf Gebäude allein

10 %

4 %

  • auf Gebäude und Land zusammen

8 %

3 %

Gebäude des Gastwirtschaftsgewerbes und der Hotellerie (vgl. Ziffer 2.4.1)

 

 

  • auf Gebäude allein

10 %

6 %

  • auf Gebäude und Land zusammen

8 %

4 %

Fabrikgebäude, Lagergebäude und gewerbliche Bauten (vgl. Ziffer 2.4.1)

 

 

  • auf Gebäude allein

10 %

8 %

  • auf Gebäude und Land zusammen

8 %

7 %

Übrige Bauten und Anlagen: Fahrnisbauten auf fremdem Grund und Boden, Gleisanschlüsse, Wasserleitungen zu industriellen Zwecken, Tanks, Container

25 %

20 %

Hochregallager und ähnliche Einrichtungen

25 %

15 %

Photovoltaikanlagen

20 %

25 %

Geschäftsmobiliar, Werkstatt- und Lagereinrichtungen mit Mobiliarcharakter

50 %

25 %

Transportmittel aller Art ohne Motorfahrzeuge, insbesondere Anhänger

50 %

30 %

Apparate und Maschinen zu Produktionszwecken

50 %

30 %

Motorfahrzeuge aller Art

50 %

40 %

Maschinen, die vorwiegend im Schichtbetrieb eingesetzt sind, oder die unter besonderen Bedingungen arbeiten (wie z.B. schwere Steinbearbeitungsmaschinen, Strassenbaumaschinen), elektronische Prüf- und Messgeräte

50 %

40 %

Büromaschinen

50 %

40 %

Datenverarbeitungsanlagen (Hardware)

50 %

40 %

EDV-Software1)

100 %

100 %

Werkzeuge, Werkgeschirr, Maschinenwerkzeuge, Geräte, Gebinde, Gerüstmaterial, Paletten usw., Hotel- und Gastwirtschaftsgeschirr sowie Hotel- und Gastwirtschaftswäsche

100 %

45 %

Immaterielle Werte, die der Erwerbstätigkeit dienen, wie Patent-, Firmen-, Verlags-, Konzessions-, Lizenz- und andere Nutzungsrechte, Goodwill

50 %

40 %

1) Entgegen des Merkblatts der ESTV werden bei der EDV-Software 100% zur Abschreibung zugelassen

 

2.3.2    Landwirtschafts- und forstwirtschaftliche Betriebe 

Für Landwirtschaftsbetriebe sind pro Jahr folgende Abschreibungen vom Buchwert zulässig (vgl. auch StB SO § 23 Nr. 6, Ziffer 2.2.1):

Aktivum

bis 31.12.2019

ab 1.1.2020

Gebäude

 

 

  • Wohnhäuser

4 %

2 %

  • Gesamtsatz für alle Gebäude oder für Bauernhäuser (Wohnteil und Stall)

6 %

4 %

  • Ökonomiegebäude, Jauchebehälter

8 %

6 %

  • Leichtbauten, Schweineställe, Geflügelhallen, Silos, Bewässerungsanlagen, Foliengewächshäuser

20 %

10 %

Mechanische Einrichtungen

Fest mit dem Gebäude verbundene technische Anlagen, soweit nicht in den Gebäudewerten inbegriffen

20 %

25 %

Photovoltaikanlagen

20 %

25 %

Meliorationen

Entwässerungen, Güterzusammenlegungen, Erschliessungen, Wege usw.

20 %

10 %

Pflanzen

Reben (Abschreibung ab Vollertrag; Ausgangswert bilden die bis zum Vollertrag aktivierten Kosten)

20 %

12 %

Obstanlagen

20 %

20 %

Fahrzeuge und Maschinen
Bei starker Beanspruchung

50 %
50 %

40 %
50 %

Vieh

In der Regel erfolgt eine sofortige Abschreibung bis auf den Einheitswert

In der Regel erfolgt eine sofortige Abschreibung bis auf den Einheitswert

Gesamtsatz

Bei fehlender buchhalterischer oder tabellarischer Ausscheidung von Gebäuden, Land, Meliorationen und Pflanzen (Abschreibung höchstens bis zum Wert des Bodens)

5 %

3 %

 

Für Abschreibungen auf besonderen Anlagen wie Elektrizitätswerke, Schiffe, Schifffahrts-anlagen und Luftseilbahnen gelten besondere Vorschriften (siehe entsprechende Merk-blätter der ESTV).    

2.3.3    Korrektur übermässiger Abschreibungen

Abschreibungen, welche über die vom Kantonalen Steueramt festgelegten Abschrei-bungssätze hinausgehen und nicht geschäftsmässig begründet sind, führen zu einer Kor-rektur des steuerbaren Gewinns und des steuerbaren Vermögens. Werden Abschreibungen steuerlich nicht anerkannt, entsteht eine sogenannte versteuerte stille Reserve. Die Kor-rektur der steuerlich nicht anerkannten Abschreibung erfolgt im Kanton Solothurn nach dem sogenannten Hinzurechnungsverfahren.

Hinzurechnungsverfahren

Der steuerlich nicht zugelassene Teil der Abschreibung (Überabschreibung) wird vollumfänglich dem Einkommen sowie dem Vermögen (versteuerte stille Reserve) zugerechnet. Neben dem Buchwert in der Handelsbilanz entsteht deshalb ein von ihm abweichender Einkommenssteuerwert, der für die Bestimmung der in den Folgejahren zulässigen Abschreibungen massgebend ist. Das macht die Führung einer separaten Steuerbilanz oder Abschreibungstabelle notwendig. Vom Moment an, in welchem ein derartiger Einkommenssteuerwert besteht, werden alle zukünftigen Abschreibungen und auch allfällige Liquidationsgewinne von diesem Wert berechnet.

Beispiel:

Der Büromöbelbetrieb in Olten schreibt seine Zuschneidemaschine, deren Buch-/Einkommenssteuerwert zu Jahresbeginn CHF 400'000 betrug, am Jahresende um 70 % auf CHF 120'000 ab. Gemäss Ziffer 2.3.1 wäre jedoch nur eine Abschreibung von 30 % bzw. CHF 120'000 zulässig. Die Veranlagungsbehörde rechnet folglich die Überabschreibung von CHF 160'000 zum steuerbaren Einkommen hinzu und erhöht den Einkommenssteuerwert auf CHF 280'000 (gegenüber dem Buchwert von CHF 120'000).


Hinzurechnungsverfahren
Der steuerlich nicht zugelassene Teil der Abschreibung (Überabschreibung) wird vollumfänglich dem Einkommen sowie dem Vermögen (versteuerte stille Reserve) zuge-rechnet. Neben dem Buchwert in der Handelsbilanz entsteht deshalb ein von ihm abweichender Einkommenssteuerwert, der für die Bestimmung der in den Folgejahren zulässigen Abschreibungen massgebend ist. Das macht die Führung einer separaten Steuerbilanz oder Abschreibungstabelle notwendig. Vom Moment an, in welchem ein derartiger Einkommenssteuerwert besteht, werden alle zukünftigen Abschreibungen und auch allfällige Liquidationsgewinne von diesem Wert berechnet.
Beispiel:
Der Büromöbelbetrieb in Olten schreibt seine Zuschneidemaschine, deren Buch-/Einkommenssteuerwert zu Jahresbeginn CHF 400'000 betrug, am Jahresende um 70 % auf CHF 120'000 ab. Gemäss Ziffer 2.3.1 wäre jedoch nur eine Abschreibung von 30 % bzw. CHF 120'000 zulässig. Die Veranlagungsbehörde rechnet folglich die Überab-schreibung von CHF 160'000 zum steuerbaren Einkommen hinzu und erhöht den Ein-kommenssteuerwert.

2.3.4    Nachholen von Abschreibungen

Steuerpflichtige, die in früheren Jahren zufolge schlechten Geschäftsganges die zulässi-gen Abschreibungen nicht vorgenommen oder nicht ausgeschöpft haben, können diese für die drei der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahre vom bisherigen Buchwert nachholen (§ 16 Abs. 2 VV StG). Das Nachholen von Abschreibungen darf nicht zu Ge-schäftsverlusten führen, die mit dem übrigen Einkommen verrechnet werden. Unterlässt der Steuerpflichtige Abschreibungen, wird der steuerlich massgebende Buchwert von Am-tes wegen nur korrigiert, wenn handelsrechtlich eine Überbewertung vorliegt.

2.3.5    Abschreibung aufgewerteter Aktiven

Abschreibungen auf Aktiven, die zum Ausgleich von Verlusten höher bewertet wurden, können nur vorgenommen werden, wenn die Aufwertung handelsrechtlich zulässig war und die Verluste im Zeitpunkt der Abschreibung verrechenbar gewesen wären.

2.3.6    Zusatzabschreibungen

Bei besonderen Verhältnissen, namentlich bei Preissteigerungen von Anlagegütern und kostenintensiven Ersatzinvestitionen, können Zusatzabschreibungen gewährt werden. Diese sind mit der Veranlagungsbehörde vorgängig abzusprechen und die besonderen Verhältnisse sind zu begründen.


2.4    Besondere Fälle

Bei Vorliegen besonderer Umstände muss von der Anwendung der Abschreibungssätze (Ziffer 2.3.1 und 2.3.2) abgewichen werden können. Solche Umstände führen sodann zu Wertberichtigungen (Umlauf- und Anlagevermögen), welche mit der jährlichen Steuerdeklaration nachzuweisen und zu begründen sind. Da diese nur temporären Charakter ha-ben, können sie jederzeit von den Veranlagungsbehörden überprüft und steuerrechtlich aufgerechnet werden, sofern sie geschäftsmässig nicht mehr begründet sind.

2.4.1    Grund und Boden

Grund und Boden ist grundsätzlich nicht abnutzbar, und somit sind keine Abschreibun-gen zulässig. Wenn Land und Gebäude in der Buchhaltung oder in den Abschreibungsta-bellen nicht auseinandergehalten werden, reduzieren sich die Abschreibungssätze für Wohngebäude auf 1.5 %, für gewerbliche Gebäude auf 3 % (Gastwirtschaft 4 %) und industrielle Gebäude auf 7 %. In diesem Fall sind Abschreibungen höchstens bis zum Wert des Bodens zulässig.
Wertberichtigungen auf Grund und Boden sind dann zulässig, wenn und soweit der Ver-kehrswert voraussichtlich dauernd unter den Buchwert gesunken ist (z.B. Auftauchen von Altlasten, Umzonung).

2.4.2    Aktiven des Umlaufvermögens

a.    Ausbuchung von Forderungen
Diese werden erst zugelassen, wenn der Verlust, z.B. nach Ausstellung eines Verlustscheines, endgültig erscheint. Für zu erwartende Erlösminderungen wie Rabatte, Preisnachlässe, Skontos und ähnliche Abzüge sind dagegen Wertberichtigungen zu bilden (vgl. Ziffer 3.3.2).

b.    Wertberichtigungen auf Wertschriften
Eine Ausnahme zum Kostenwertprinzip in der Folgebewertung statuiert Art. 960b OR für Aktiven mit Börsenkurs oder einem anderen beobachtbaren Marktpreis, die zum Kurs 
oder Marktpreis am Bilanzstichtag bewertet werden dürfen. Werden Aktiven in diesem Sinne bewertet, darf eine Wertberichtigung zulasten der Erfolgsrechnung gebildet werden, um Schwankungen im Kursverlauf Rechnung zu tragen. Die Untergrenze für den Buchwert bildet jedoch nach wie vor der Anschaffungs- oder der allenfalls tiefere Kurswert. Der Betrag der Schwankungsreserve ist insgesamt in der Bilanz oder im Anhang gesondert auszuweisen (Art. 960b Abs. 2 OR).
Steuerrechtlich werden folgende Wertberichtigungen i.S. von Schwankungsreserven akzeptiert:
-  festverzinsliche Wertschriften max. 10 %,
-  bei Aktien und Derivaten max. 20 %
des aktivierten beobachtbaren Marktpreises. Wertberichtigungen, sofern sie handelsrechtlich verbucht sind, werden in dieser Höhe ohne Nachweis als geschäftsmässig begründeter Aufwand akzeptiert. Darüber hinausgehende Wertberichtigungen sind geschäftsmässig nicht begründet und werden steuerrechtlich aufgerechnet, sofern kein spezieller Nachweis erbracht werden kann.

c.    Wertberichtigungen auf Vorräten
Vorräte sind in der Regel höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder aber zum tieferen Marktwert zu bilanzieren. Die steuerrechtlich zugelassene generelle Unterbewertung des Warenlagers erfolgt in Form einer Wertberichtigung (vgl. Ziffer 3.3.2). Ausserordentliche Wertberichtigungen sind daher nur vorzunehmen, wenn der Wiederbeschaffungswert, d.h. der Preis, zu dem eine Ware am Bilanzstichtag wiederbe-schafft werden könnte, unter den steuerlichen Buchwert gesunken ist.

d.    Wertberichtigungen auf Liegenschaften im Umlaufvermögen
Nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. Urteil des BGer 2C_107/2011 vom 2. April 2012) wird zwischen drei Arten von Immobilien unterschieden, nämlich:
-   solchen, die für den Verkauf bestimmt sind und damit Handelsware (Umlaufvermögen) bilden;
-   Betriebsliegenschaften (unmittelbar dem Betrieb dienendes Anlagevermögen);
-   sowie Kapitalanlageliegenschaften (Anlagevermögen).
Im Unternehmenssteuerrecht erfolgt die Zuteilung eines Wirtschaftsguts zum Umlauf- 
oder Anlagevermögen nicht nach der äusseren Beschaffenheit, sondern nach der Zweck-bestimmung im Unternehmen sowie nach der Dauerhaftigkeit der getätigten Investitio-nen. Betriebs- und Kapitalanlageliegenschaften werden grundsätzlich im Anlagevermögen ausgewiesen und daher unter der nachfolgenden Ziffer 2.4.3.b behandelt.
Gehört eine Liegenschaft zum Umlaufvermögen, können keine pauschalen Abschreibungen gewährt werden (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar DBG, Art. 28 N 7). Dies auch im Einklang mit Ziffer 2.3.1 resp. 2.3.2, wonach die dort vorgesehenen Pauschalansätze nur für Abschreibungen auf dem Anlagevermögen geschäftlicher Betriebe vorgesehen sind.

Mit Ausnahme einer allfällig vorhandenen Betriebsliegenschaft gehören die geschäftlichen Liegenschaften eines gewerbsmässigen Liegenschaftenhändlers in der Regel zum Umlaufvermögen (KSG SGSTA.2014.20 i.S. S. vom 8.12.2014, E. 3.2.1). Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein gewerbsmässiger Liegenschaftenhändler auch Kapitalanlageliegenschaften in seinem Liegenschaftenbestand hält, ohne dass diese sogleich Privatvermögen darstellen (vgl. Ziffer 2.4.3.b).

Auf die zum Umlaufvermögen gehörenden Liegenschaften können keine ordentlichen Abschreibungen, sondern höchstens ausserordentliche Wertberichtigungen infolge einer erlittenen Werteinbusse vorgenommen werden. Auf Liegenschaften des Umlaufvermögens kann auch keine privilegierte Warenreserve (sog. "Warendrittel") gebildet werden.

2.4.3       Aktiven des Anlagevermögens

a.    Wertberichtigungen auf Beteiligungen

Wertverluste auf Beteiligungen haben in der Regel vorübergehenden Charakter (Ziffer 3.1), soweit die Entwertung nicht auf einem definitiven Substanzverzehr beruht. In diesen Fällen wird deshalb lediglich eine Wertberichtigung und keine Abschreibung gewährt. Da es sich in der Regel um Wertschriften ohne Kurswert handelt, ist der Verkehrswert anhand einer Schätzung festzustellen. Die Höhe der Schätzung ist durch ein nach anerkannten Bewertungsgrundsätzen erstelltes Privatgutachten nachzuweisen.

b.    Abschreibungen auf Liegenschaften im Anlagevermögen

Auf Betriebsliegenschaften können ordentliche, planmässige Abschreibungen steuerrecht-lich geltend gemacht werden (vgl. Ziffer 2.3.1 und 2.3.2). Anders als bei juristischen Per-sonen stellen Kapitalanlageliegenschaften bei natürlichen Personen, die als Liegenschaf-tenhändler besteuert werden, eher Privatvermögen dar, was zur Folge hat, dass keine Ab-schreibungen steuerrechtlich akzeptiert werden können. Qualifizieren solche Kapitalanlageliegenschaften ausnahmsweise als Geschäftsvermögen, können ordentliche, planmässi-ge Abschreibungen steuerrechtlich als Kosten abgezogen werden, sofern (u.a.) ein alters-bedingter Wertverlust auf dem Gebäudeteil absehbar ist (Urteil des BGer 2C_726/2019 vom 21. Februar 2020).

c.    Abschreibungen auf Kunstgegenständen

Kunstgegenstände (Bilder, Skulpturen etc.) sind nur in Ausnahmefällen dem Geschäftsvermögen zuzuordnen (vgl. StB SO § 24 Nr. 2). Stellen sie aber Geschäftsvermögen dar (z.B. Wartezimmer Arztpraxis), sind sie gesondert in der Bilanz aufzuführen. Bei mehreren Gegenständen ist eine entsprechende Inventarliste zu führen. Kunstgegenstände un-terliegen in der Regel keinem jährlichen Wertverlust. Entsprechend können auch keine jährlich planmässigen Abschreibungen darauf vorgenommen werden.
Dagegen zulässig sind Wertberichtigungen für nachgewiesene tatsächlich eingetretene Wertverluste auf Kunstgegenständen, beispielsweise bei einer Beschädigung des Kunstge-genstandes. Bei einem Wertverlust infolge Überführung ins Privatvermögen unter dem Buchwert ist der tatsächliche Wert des Kunstgegenstandes nachzuweisen.

d.    Abschreibungen auf immateriellem Vermögen

Immaterielle Güter (Patente, Lizenzen etc.) weisen normalerweise eine beschränkte Nut-zungsdauer auf und unterliegen daher einer periodischen Abschreibung (vgl. Ziffer 2.3.1). Die Vornahme zusätzlicher Wertberichtigungen ist an den Nachweis eines tieferen aktuel-len Nutzungswertes geknüpft.
Goodwill darf nur aktiviert und abgeschrieben werden, wenn er käuflich erworben (= de-rivativer Goodwill), nicht dagegen, wenn er selber geschaffen wurde. Zudem muss er in-nert fünf Jahre (vgl. dazu StB SO § 34 Nr. 1) abgeschrieben werden, da er in der Regel schwindet und allenfalls durch selber geschaffenen Goodwill ersetzt wird. Dem käuflichen Erwerb ist die Sacheinlage gleichzusetzen. Auch solchermassen eingebrachter Goodwill kann in die Eröffnungsbilanz aufgenommen werden.

2.4.4    Anlagen für den Umweltschutz

Anlagen für den Umweltschutz (Gewässer- und Lärmschutz- sowie Abluftreinigungsanla-gen) können im Jahr der Erstellung und in den beiden folgenden Jahren um höchstens 
50 % vom Buchwert, anschliessend zu den für die betreffenden Anlagen üblichen Sätzen (vgl. Ziffer 2.3.1 und 2.3.2) abgeschrieben werden (§ 16 Abs. 3 VV StG).
Wärmeisolierungen, Anlagen zur Umstellung des Heizungssystems, zur Nutzbarmachung von Sonnenenergie und dergleichen können im Jahr der Erstellung und in den beiden folgenden Jahren um bis zu 50 % vom Buchwert, anschliessend zu den für die betreffen-den Anlagen üblichen Sätzen (vgl. Ziffer 2.3.1 und 2.3.2) abgeschrieben werden (§ 16 
Abs. 3 VV StG).

2.4.5    Vermietetes oder verpachtetes Betriebsinventar

Vermietetes oder verpachtetes Betriebsinventar darf nach den Ansätzen gemäss Ziffer 2.3.1 und 2.3.2 abgeschrieben werden. Voraussetzung ist, dass ein Inventar erstellt und die Abschreibungen in fortlaufenden Abschreibungstabellen ausgewiesen werden.


3    Rückstellungen und Wertberichtigungen

3.1    Allgemeines


Rückstellungen sind Passiven (Schulden) und dienen der periodengerechten Erfassung von Aufwendungen und Verlusten, deren Eintreten am Bilanzstichtag als wahrscheinlich oder sicher angenommen werden muss, die aber hinsichtlich Höhe oder Zeitpunkt des Eintritts noch unbestimmt sind. Die Ursache für die künftigen Geld- oder Güterabgänge muss in der abzuschliessenden oder allenfalls in einer früheren Rechnungsperiode liegen. Handelsrechtlich sind Rückstellungen nach dem Grundsatz der Bilanzvorsicht und nach dem Imparitätsprinzip zu bilden. Steuerrechtlich sind sie jedoch nur zulässig, soweit sie geschäftsmässig begründet und ordnungsgemäss verbucht sind. Von den Rückstellungen sind die Rücklagen abzugrenzen. Diese stellen im Gegensatz zu den Rückstellungen Eigenkapital dar.
Mit Wertberichtigungen wird dem Unsicherwerden bisheriger Bilanzansätze, Wert-schwankungen oder anderen Verlustgefahren Rechnung getragen, die keine endgültigen Wertkorrekturen in Form von Abschreibungen rechtfertigen. Grundsätzlich beziehen sich Wertberichtigungen gemäss § 35bis Abs. 1 lit. b StG auf eine bestimmte Position des Um-laufvermögens (z.B. Debitoren oder Vorräte). Wertberichtigungen im Sinn von provisori-schen Wertkorrekturen auf Anlagevermögen lassen sich unter § 35bis Abs. 2 StG subsumieren. Im Gegensatz zu den Abschreibungen wird der Buchwert des Aktivums in der Regel nicht direkt herabgesetzt, sondern es wird ein Wertberichtigungskonto (z.B. privilegierte Warenreserven, Delkredere) zulasten der Erfolgsrechnung gebildet. Auch Wertberichtigungen müssen geschäftsmässig begründet sein, um steuerlich anerkannt zu werden. 
Steuerrechtlich werden Wertberichtigungen den Rückstellungen gleichgesetzt (§ 35bis StG). Sowohl Rückstellungen als auch Wertberichtigungen können bei einer späteren Veranlagung erneut auf deren geschäftsmässige Begründetheit hin überprüft werden (§ 35bis Abs. 3 StG).
Insofern bedarf es einer Abrechnung im Zeitpunkt, in dem sich die erwartete Vermögens-einbusse tatsächlich verwirklicht oder die Verlustgefahr ganz oder teilweise wegfällt. Handelsrechtlich besteht keine Verpflichtung, nicht mehr benötigte Rückstellungen bzw. Wertberichtungen aufzulösen. Steuerrechtlich sind bisherige Rückstellungen bzw. Wertberichtigungen dem steuerbaren Geschäftsertrag zuzurechnen oder werden von Amtes wegen aufgerechnet, soweit sie sich nicht mehr als geschäftsmässig begründet erweisen. Die Belastung des Rückstellungskontos mit zweckfremden Aufwendungen ist unzulässig.

3.2    Zulässige Rückstellungen und Wertberichtigungen im Steuerrecht

Nach § 35bis Abs. 1 StG werden nachfolgende "Rückstellungen" steuerlich anerkannt, wenn sie geschäftsmässig begründet und ordnungsgemäss verbucht sind:
-    im Geschäftsjahr bestehende Verpflichtungen, deren Höhe noch unbestimmt ist;
-    Verlustrisiken, die mit Aktiven des Umlaufvermögens, insbesondere mit Waren und Debitoren, verbunden sind;
-    andere unmittelbar drohende Verlustrisiken, die im Geschäftsjahr bestehen;
-    künftige Forschungs- und Entwicklungsaufträge an Dritte bis zu 10 % des steuerbaren Geschäftsertrags, insgesamt höchstens bis zu 1 Million Franken.
Die geschäftsmässige Begründetheit ist von der steuerpflichtigen Person nachzuweisen, da es sich um steuermindernde Tatsachen handelt. Dazu müssen die per Bilanzstichtag be-stehenden Verpflichtungen oder drohenden Verlustrisiken, z.B. anhand von Verträgen oder Korrespondenzen, belegt werden können. Ist ein Nachweis nicht möglich oder nicht zumutbar, kann sich der Steuerpflichtige auch auf Schätzungen berufen, sofern er über hinreichende Schätzungsgrundlagen verfügt (vgl. StE 1989 B 72.14.1 Nr. 6, E.1c).


3.3    Anwendungsfälle

3.3.1    Rückstellungen für Verpflichtungen

a.    Rückstellungen für Garantieleistungen

Rückstellungen für Garantieverpflichtungen lassen sich in Bestand und Höhe in erster Linie durch Erfahrungszahlen aus den vorangegangenen Geschäftsjahren und durch konkre-ten Nachweis hängiger Schadensfälle rechtfertigen. Allfällige Versicherungs- oder Re-gressansprüche auf Deckung des durch die Garantieverpflichtung zu erwartenden Scha-dens sind zu aktivieren oder durch eine entsprechende Kürzung der Garantierückstellung zu berücksichtigen. Die Höhe der Rückstellung ist je nach Branche verschieden.
Im Baugewerbe werden Garantieverpflichtungen zumeist im Zusammenhang mit Werk- oder Kaufverträgen eingegangen. Zur Deckung solcher Risiken wird eine max. Garantie-rückstellung von 1 % des Nettoumsatzes des aktuellen und des vorangegangenen Ge-schäftsjahres zugestanden.

b.    Rückstellung für schwebende Geschäfte
Besteht bei einem zweiseitigen Rechtsgeschäft, das noch nicht vollständig erfüllt worden ist, eine ernsthafte Gefahr, dass der eigenen Leistungsverpflichtung keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht, ist handelsrechtlich im Umfang des zu erwartenden Ver-lustes eine Rückstellung zu bilden. Steuerrechtlich anerkannt werden solche Rückstellun-gen insbesondere bei Abnahmeverpflichtungen, wenn der Preis am Absatzmarkt unter den vertraglich vereinbarten Abnahmepreis fällt, oder bei Lieferungsverpflichtungen, bei denen die Selbstkosten der zu liefernden Güter die vertraglich vereinbarten Verkaufsprei-se übersteigen. Ein Rückstellungsbedarf kann sich beispielsweise auch bei Dauerschuldverhältnissen (z.B. Mieterträgen) ergeben, welche keine korrespondierende Entwicklung von Leistung und Gegenleistung aufweisen.

c.    Rückstellungen für Eventualverpflichtungen

Eventualverpflichtungen wie Bürgschaften, Pfandrechte oder Garantien sind als solche nicht in der Bilanz, sondern im Anhang zur Jahresrechnung auszuweisen (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 10 OR). Sofern eine Eventualverpflichtung aus geschäftlichen Gründen eingegangen wurde, können für Verlustrisiken Rückstellungen vorgenommen werden, wenn der Be-stand der Verpflichtung nachgewiesen wird und sowohl mit ihrer Inanspruchnahme als auch mit der Gefährdung des Rückgriffsrechts gerechnet werden muss (StE 1990 B 72.14.2 Nr. 12).

d.    Rückstellungen für Sozialversicherungsbeiträge

Der Abzug der persönlichen AHV-Beiträge des selbständig Erwerbenden richtet sich aufgrund des engen Zusammenhangs mit dem Erwerbseinkommen nach den besonderen Regeln der zeitlichen Zuordnung von Abzügen im Bereich der selbständigen Erwerbstätig-keit. Das bedeutet, dass Beiträge grundsätzlich jenem Geschäftsjahr zuzuordnen sind, in dem sie entstanden sind. Der selbständig Erwerbende hat deshalb den ordentlichen AHV-Beitrag im Zeitpunkt der Entstehung als Verbindlichkeit zu passivieren. Steht die genaue Höhe des geschuldeten AHV-Beitrages bei Erstellung der Bilanz noch nicht fest, kann der Betrag – wie eine Rückstellung für Geschäftsaufwand – in der voraussichtlichen Höhe zum Abzug gebracht werden.


3.3.2    Wertberichtigungen auf Aktiven des Umlaufvermögens

a.    Wertberichtigungen auf Debitoren

Auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Debitoren) wird ohne Nachweis eine pauschale Wertberichtigung (Delkredere) bis höchstens 10 % zugelassen. Dabei wird nicht differenziert, ob es sich um Forderungen gegenüber schweizerischen oder ausländischen Schuldnern in schweizerischer oder ausländischer Währung handelt. Für Forderungen gegenüber nahestehenden Personen oder Institutionen der öffentlichen Hand ist kein Delkredere zulässig.
Tatsächlich eingetretene Debitorenverluste müssen nicht über das pauschal bewertete Delkrederekonto verbucht, sondern können direkt der Erfolgsrechnung belastet werden. Das Delkrederekonto ist am Ende des Geschäftsjahres nach Massgabe des vorstehenden Pauschalansatzes dem veränderten Debitorenbestand anzupassen.
Anstelle der Delkrederepauschale sind höhere Wertberichtigungen auf einzelnen Debito-ren oder auf dem ganzen Debitorenbestand zulässig, wenn sie begründet sind. Ihre Höhe bemisst sich nach dem Grad der Gefährdung, der für jede einzelne Forderung nachzuwei-sen ist. Für jede Forderung, für die eine höhere Wertberichtigung verlangt wird, ist mit der Steuererklärung eine Aufstellung mit folgenden Angaben einzureichen:
-    Name und Adresse des Schuldners;
-    Höhe, Grund und Alter der Forderung;
-    Stand des Inkassoverfahrens.

b.    Wertberichtigungen auf dem Warenlager

Das Warenlager ist wert- und mengenmässig vollständig aufzunehmen (Inventar). Es ist zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder, wenn sein Marktwert geringer ist (bspw. infolge sinkender Einkaufspreise, Demodierung), nach diesem zu bewerten (vgl. Art. 960a ff. OR). Unter diesen Voraussetzungen wird auf dem Wert des Warenlagers ohne Nach-weis steuerlich eine Wertberichtigung von 33 ⅓ % zugelassen ("privilegierte Warenreserve, Warendrittel"). Geht der Wert des Warenlagers zurück, so ist die Warenreserve auf höchstens 33 ⅓ % des neuen Inventarwertes zu reduzieren. Liegenschaften gelten nicht als Ware; ebenso wenig Erzeugnisse, die im festen Auftrag Dritter hergestellt werden (angefangene und fertige Arbeiten). Die privilegierte Warenreserve auf dem Warenlager ist in der Jahresrechnung oder auf separatem Formular offen auszuweisen. Nicht vorschriftsgemäss gebildete oder ausgewiesene Wertberichtigungen können nachträglich nicht mehr privilegiert werden und sind steuerlich aufzurechnen.

Stille Reserven auf dem Warenlager (Warendrittel)

 

 

CHF

Einstandswert des Warenlagers laut Inventar

700'000

 - Wertberichtigungen einzelner Waren auf den niedrigeren Verkehrswert

-100'000

Inventarwert des Warenlagers (Tiefstwertprinzip)

600'000

 - Bildung der höchstzulässigen Warenreserve ⅓

-200'000

Bilanzwert des Warenlagers (Einkommenssteuerwert)

400'000

 

c.    Wertberichtigungen auf Pflichtlagern

Für Pflichtlager, die durch einen Vertrag mit dem Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (vertreten durch das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung) gebunden sind, gelten die folgenden Bewertungssätze:
-    Für obligatorische Pflichtlager wird eine Unterbewertung (Abzug) bis zu 50 % des Basispreises ohne besonderen Risikonachweis zugelassen.
-    Für freiwillige Pflichtlager ist eine Unterbewertung bis zu 80 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. des niedrigeren Marktwertes zulässig.
-    Waren, die bisher freiwillig in einem Pflichtlager gehalten wurden und die neu der obligatorischen Pflichtlagerhaltung unterstellt werden, können während höchstens sechs Jahren derart abgeschrieben werden, dass sich der Steuerwert nicht erhöht.
Näheres siehe Kreisschreiben Nr. 26 vom 22. Juni 2006 der Schweizerischen Steuerkonfe-renz betreffend die steuerliche Bewertung von Pflichtlagern.

d.    Wertberichtigungen auf WIR-Guthaben

WIR-Guthaben werden nicht verzinst und sind oft auch nur beschränkt verwendbar. Bei Bezahlung mit WIR-Checks müssen zudem oft schlechtere Bedingungen hingenommen werden. Für die Bewertung von WIR-Guthaben im Jahresabschluss wird ohne besonderen Nachweis eine WIR-Wertberichtigung von 20 % des Nominalwertes von WIR-Guthaben zugelassen.

3.3.3    Rückstellungen für unmittelbar drohende Verlustrisiken

a.    Rückstellungen für Grossreparaturen
In der Praxis anerkannt werden Rückstellungen für Grossreparaturen an Gebäuden, allerdings nicht pauschal in Prozenten des Restbuchwertes, sondern für konkrete Projekte. Für periodisch (nicht jährlich) vorzunehmende Grossreparaturen an Gebäuden und Revisionen an Maschinen (Grossanlagen) können in besonderen Fällen, z.B. wenn der budgetierte Aufwand den normalen Jahres-Cash-Flow übersteigt, nach vorheriger Rücksprache mit der Veranlagungsbehörde Rückstellungen gebildet werden. Bei Grossreparaturen werden die Kosten in der Regel auf zwei Jahre verteilt.
Allfällige Einlagen in einen Erneuerungsfonds sind bei der Bestimmung des maximal zulässigen Umfangs mit zu berücksichtigen. Die tatsächlichen Ausgaben für grössere Repara-turen sind dem Rückstellungskonto zu belasten. Werden Grossreparaturen zweckwidrig nicht der dafür gebildeten Rückstellung belastet oder wird die Rückstellung für ge-schäftsmässig nicht begründete Kosten verwendet, ist der entsprechende Teil der Rückstellung aufzurechnen und als Einkommen und Vermögen zu besteuern.
Bei der Veräusserung einer Liegenschaft ist die Renovationsrückstellung erfolgswirksam aufzulösen.

b.    Rückstellungen für die Behebung von Umweltschäden

Rückstellungen für die Behebung von Umweltschäden, für die Beseitigung von Abfällen oder für andere Auslagen, mit welchen das Unternehmen rechnen muss, die jedoch nicht auf einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung beruhen, sind im Einzelfall einer näheren Prüfung zu unterziehen. In jedem Fall sind für das vorgesehene Projekt entsprechende Kostenschätzungen und eine detaillierte Beschreibung zur Beurteilung vorzulegen.
Pauschale Rückstellungen für mögliche Umweltschäden sind nicht zulässig, da solche Risi-ken unter das normale Unternehmerrisiko fallen. Ein einmaliges und ausserordentliches Schadensereignis begründet noch keinen pauschalen Rückstellungsbedarf für derartige, zukünftige Risiken.

3.3.4    Rücklagen für Forschungs- und Entwicklungsaufträge

Grundsätzlich ist diese Aufwandposition in § 35bis Abs. 1 lit. d über Rückstellungen system-fremd, da es sich um Reserven handelt, die lediglich wie Rückstellungen behandelt wer-den. 
Die Rücklage für solche Aufträge darf 10 % des steuerbaren Gewinns nicht übersteigen; insgesamt darf die Reserve CHF 1 Million betragen.
Das Unternehmen muss die Ernsthaftigkeit seiner Absicht plausibel darlegen und innert angemessener Frist nach Erreichen des zulässigen Höchstbetrags den in Aussicht genom-menen Forschungs- und Entwicklungsauftrag an Dritte auch erteilen. Erfolgt kein entspre-chender Auftrag, ist die Rückstellung steuerwirksam aufzulösen.


4    Steuerfreie Rücklagen für Betriebsumstellungen und Betriebsumstrukturierungen

Seit dem 1. Januar 2020 nicht mehr zulässig ist die steuerfreie Bildung von Rücklagen für die Kosten wirtschaftlich erforderlicher Betriebsumstellungen und -umstrukturierungen. Dabei handelt es sich um eine Gewinnverwendung bzw. die Bildung von Eigenkapital zu bestimmten Zwecken. Nach den Übergangsbestimmungen zur Gesetzesrevision 2020 sind diese Rücklagen innerhalb von fünf Jahren seit ihrer Bildung zweckkonform zu verwenden.
Andernfalls können die Rücklagen im jüngsten Jahr ihrer Bildung nachträglich im Nach-steuerverfahren besteuert werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Nachbesteuerung im jüngsten Jahr nicht zu einem tieferen Ergebnis führt, als eine Nachbesteuerung in jedem einzelnen Jahr der Bildung der Rücklagen führen würde. Andernfalls ist die Nachbesteuerung im jeweiligen Jahr der Bildung vorzunehmen (§ 16ter VV StG).


5    Direkte Bundessteuer

Die Regelung bei der direkten Bundessteuer ist grundsätzlich identisch. Ein Unterschied besteht für die unter der Ziffer 4 umschriebenen Rücklagen bei wirtschaftlich erforderli-chen Betriebsumstellungen und -umstrukturierungen. Diese Rücklagen waren bei der di-rekten Bundessteuer bereits früher nicht zugelassen, insofern erübrigt sich deren allfällige Nachbesteuerung.