Ersatzbeschaffungen von betriebsnotwendigem Anlagevermögen

Gesetzliche Grundlagen

§ 36 StG
§ 18 VV StG
Art. 30 DBG

Weitere Grundlagen

·         Kreisschreiben ESTV Nr. 26 vom 16. Dezember 2009: Neuerungen bei der selbständigen Er-werbstätigkeit aufgrund der Unternehmenssteuerreform II.

 

Inhalt

1            Allgemeines
2            Gesetzliche Grundlagen
3            Voraussetzungen der steuerneutralen Ersatzbeschaffung
3.1         Ersatz von betriebsnotwendigem Anlagevermögen
3.1.1      Ausnahmen
3.1.2      Ersatz von Beteiligungen
3.2         Ersatz innerhalb der Schweiz
3.3          Ersatz innerhalb einer angemessenen Frist
4             Grundsatz zum Umfang des Steueraufschubs
4.1          Beispiele Ersatzbeschaffung
5             Direkte Bundessteuer

 

1     Allgemeines

Bei einer Ersatzbeschaffung wird der Erlös aus dem Verkauf eines betriebsnotwendigen Vermögensgegenstandes eines Unternehmens in ein Ersatzgut investiert. Werden auf dem ausscheidenden Gut bestehende stille Reserven realisiert, unterliegen diese grundsätzlich der Besteuerung. Wenn jedoch das Ersatzgut ebenfalls der betrieblichen Leistungserstellung dient und damit betriebsnotwendig ist, können unter bestimmten Voraussetzungen die stillen Reserven auf das Ersatzgut übertragen werden, wodurch die Besteuerung aufgeschoben wird. So betrachtet ist der Ersatzbeschaffungstatbestand vergleichbar mit dem Austausch von wirtschaftlich identischen Anlagegütern. Mit dem neuen Wirtschaftsgut kann das Unternehmen seine betriebliche Tätigkeit in der Regel aber besser erfüllen oder sie neuen wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen. Deshalb wird heute die steuerneutrale Ersatzbeschaffung auch bei diesen Austauschtatbeständen zugelassen.

Aufgrund der Massgeblichkeit der Handelsbilanz ist die Ersatzbeschaffung im Rahmen der Rechnungslegung zu berücksichtigen. Die Ersatzbeschaffung kann nicht erst im Rahmen der Steuererklärung geltend gemacht werden.

 

2  Gesetzliche Grundlagen

Der Tatbestand der Ersatzbeschaffung wird im Gesetz ausdrücklich geregelt. Mit Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform II gelten seit dem 1. Januar 2011 die in § 36 StG geregelten Bestimmungen. Diese Regelung ist für die Steuerpflichtigen in aller Regel günstiger, da sie für die Übertragung der stillen Reserven auf das Ersatzobjekt nicht mehr voraussetzt, dass dieses gleichartig bzw. funktionsgleich ist.

Die Bestimmungen in § 36 StG stimmen mit § 92 Abs. 1 erster Satz StG betreffend die juristischen Personen überein. Eine Ersatzbeschaffung einer Beteiligung im Geschäftsvermögen einer natürlichen Person ist im Gegensatz zu den juristischen Personen aber nur dann möglich, wenn es sich bei der Beteiligung um betriebsnotwendiges Anlagevermögen handelt (vgl. das Fehlen von § 92 Abs. 1 zweiter Satz StG in § 36 StG).

 

3  Voraussetzungen der steuerneutralen Ersatzbeschaffung

Gemäss den gesetzlichen Bestimmungen können die stillen Reserven eines ausscheidenden Wirtschaftsguts steuerneutral auf ein Ersatzgut übertragen werden, wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

§  Ersatz von betriebsnotwendigem Anlagevermögen
§  Ersatz innerhalb der Schweiz
§  Ersatz innerhalb einer angemessenen Frist

Eine steuerneutrale Ersatzbeschaffung ist nicht möglich, wenn die zu veräussernden Vermögensteile dem Unternehmen nur als Vermögensanlage dienen.

3.1  Ersatz von betriebsnotwendigem Anlagevermögen

Die steuerneutrale Ersatzbeschaffung ist nur auf betriebsnotwendiges Anlagevermögen möglich. Demnach muss es sich sowohl beim ausscheidenden als auch beim wieder beschafften Vermögensobjekt um ein Anlagegut handeln, das der betrieblichen Leistungserstellung unmittelbar dient.

Betriebsnotwendige Anlagegüter sind Wirtschaftsgüter, die einem Unternehmen unmittelbar für die betriebliche Leistungserstellung dienen. Charakteristisch für die betriebsnotwendigen Anlagegüter ist somit der Umstand, dass sie für die Erbringung der betrieblichen Leistung unentbehrlich sind und ihr ersatzloses Ausscheiden den weiteren Betriebsablauf beeinträchtigen würde. Das Ersatzobjekt muss im Betrieb zwar nicht mehr die gleiche Funktion ausüben wie das ausgeschiedene Objekt, muss jedoch Gegenstand des betriebsnotwendigen Anlagevermögens desselben Unternehmens sein. So können beispielsweise die realisierten stillen Reserven aus dem Verkauf des einen Wirtschaftszweiges auf einen anderen übertragen werden.

Beispiel 1:

Eine Möbelfabrik gibt wegen immer härterer Konkurrenz ihre Möbelproduktion auf. In Zukunft will sie nur noch Möbelhandel betreiben. Sie verkauft deshalb den gesamten Maschinenpark und investiert den Erlös in einen Ausstellungsraum und in Möbel für den Wiederverkauf.

Lösung:

Die Voraussetzung des betriebsnotwendigen Anlagevermögens ist im vorliegenden Beispiel beim verkauften Maschinenpark und beim Ausstellungsraum gegeben. Beide dienen der betrieblichen Leistungserstellung und qualifizieren sich entsprechend für eine steuerneutrale Ersatzbeschaffung.

Die Möbel, die für den Wiederverkauf bestimmt sind, stellen Handelsware dar und damit Bestandteil des Umlaufvermögens. Die steuerneutrale Ersatzbeschaffung kann bei den Möbeln nicht gewährt werden.

Die stillen Reserven können lediglich vom Maschinenpark auf den Ausstellungsraum übertragen werden.

Entgegen dem expliziten Gesetzeswortlaut kann Anlagevermögen nicht nur körperliche Gegenstände darstellen, sondern auch immaterielle Werte wie Patente, Lizenzen etc.

3.1.1  Ausnahmen

Ausgeschlossen ist eine steuerneutrale Ersatzbeschaffung hingegen auf Vermögensgegenständen, die einem Unternehmen nur als Vermögensanlage oder durch ihren Ertrag dienen. Als Vermögensanlage gelten beispielsweise Wohnliegenschaften und Beteiligungen, die nicht der betrieblichen Leistungserstellung dienen.

Bei Kapitalanlageliegenschaften und bei Liegenschaften, die zu Immobiliengesellschaften gehören, handelt es sich grundsätzlich nicht um betriebsnotwendiges Anlagevermögen, weshalb eine Ersatzbeschaffung ausgeschlossen ist. So kann auch ein gewerbsmässiger Liegenschaftshändler keine Ersatzbeschaffung auf Liegenschaften geltend machen, die er zum Zweck der Weiterveräusserung kauft. Solche Immobilien bedeuten für ihn Handelsware und sind demzufolge unter dem Umlaufvermögen zu bilanzieren (vgl. dazu Urteil d. BGer vom 2. April 2012, Nr. 2C_107/2011).

Beispiel 2:

Eine Möbelfabrik verkauft ihren Betrieb an eine Kapitalgesellschaft. Die Fabrikliegenschaft behält sie in ihrem Eigentum und vermietet sie an die Käuferin des Betriebs. Zehn Jahre später stellt die Käuferin den Betrieb ein. Die Möbelfabrik baut daraufhin die Fabrikliegenschaft in Wohn- und Gewerberäume um, begründet dazu Stockwerk-eigentum und verkauft die Einheiten. Den dabei realisierten Gewinn investiert sie in den Ausbau einer Attikawohnung, die sie in ihrem Eigentum behält.

Lösung:

Als betriebsnotwendig gilt nur Anlagevermögen, das dem Betrieb unmittelbar dient beziehungsweise direkt für den Betrieb verwendet wird. Vorliegend fehlt es am Erfordernis des betriebsnotwendigen Anlagevermögens, weil die Möbelfabrik in der ehemaligen Fabrik zehn Jahre lang nicht mehr produziert hat und dadurch keine betriebliche Tätigkeit mehr ausgeübt hat. Die Fabrik dient neu vielmehr der Vermögensanlage. Zudem hat sie den Erlös aus dem späteren Verkauf der Stockwerkeinheiten in den Ausbau einer weiteren Wohnung investiert. Sie übt damit die Tätigkeit einer Immobiliengesellschaft aus, und die verkauften Objekte sind dadurch Handelsware, die dem Umlaufvermögen zuzuordnen sind. Die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Ersatzbeschaffung sind somit nicht erfüllt.

Kein Steueraufschub ist auch bei der Ersatzbeschaffung von Liegenschaften durch Gegenstände des beweglichen Anlagevermögens möglich (vgl. § 36 Abs. 1 StG). Dies wäre nicht vereinbar mit Steuersystemen, die Grundstückgewinne einer kantonalen Sondersteuer unterwerfen (monistische Steuersysteme). In Fällen, in denen ein Grundstück des Anlagevermögens durch bewegliches Anlagevermögen ersetzt wird, muss der dabei realisierte Wertzuwachsgewinn ungeachtet einer Ersatzbeschaffung sofort erfasst werden, weil eine spätere Erfassung dieses Grundstückgewinns mit der Grundstückgewinnsteuer nicht mehr möglich wäre.  

3.1.2  Ersatz von Beteiligungen

In § 92 Abs. 2 zweiter Satz StG findet sich die gesetzliche Regelung für die Ersatzbeschaffung von Beteiligungen, die im Besitz von Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften sind. Diese Bestimmung findet sich nicht in der ansonsten gleichlautenden gesetzlichen Regelung der Ersatzbeschaffung bei der Einkommenssteuer (§ 36 StG). Somit gelten für die steuerneutrale Ersatzbeschaffung von Beteiligungen im Geschäftsvermögen von natürlichen Personen dieselben Voraussetzungen und Abgrenzungskriterien wie bei der Ersatzbeschaffung von übrigem Anlagevermögen.

3.2  Ersatz innerhalb der Schweiz

Ein Unternehmen kann die durch den Verkauf eines Wirtschaftsguts an einem Betriebsstandort frei gewordenen Mittel steuerneutral auch in ein Ersatzobjekt an einem anderen Betriebsstandort investieren, sofern das Ersatzgut ebenfalls betriebsnotwendig ist. Ausgeschlossen ist die Übertragung von stillen Reserven auf Vermögen ausserhalb der Schweiz. Dies ist deshalb nicht möglich, weil die Schweiz sonst Steuersubstrat im Umfang der stillen Reserven auf dem veräusserten Wirtschaftsgut – im Gegensatz zum nur vorübergehenden Steueraufschub innerhalb der Schweiz – definitiv verlieren würde.

3.3  Ersatz innerhalb einer angemessenen Frist

Allein die Definition von „Ersatzgut“ macht deutlich, dass eine Ersatzbeschaffung innerhalb einer nützlichen Frist erfolgen muss (vgl. auch § 36 Abs. 2 StG „…innert angemessener Frist…“). Das Gesetz sagt aber nicht, was als angemessene Frist zu gelten hat. Im Grundsatz gilt eine Frist von einem Jahr vor oder von zwei Jahren nach der Veräusserung des entsprechenden Wirtschaftsguts als angemessen. Die Angemessenheit einer Frist lässt sich oft nur auf Grund des Sachverhalts im Einzelfall beurteilen (vgl. dazu auch § 18 VV StG). Wird die Ersatzbeschaffung jedoch nicht innert nützlicher Frist durchgeführt, muss davon ausgegangen werden, dass der Verkauf des ursprünglichen Gegenstandes die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit nicht beeinträchtigt und dass der Gegenstand nicht betriebsnotwendig ist (vgl. Urteil d. BGer vom 10. Juni 2016, Nr. 2C_1118/2015).

Wird die Ersatzbeschaffung nicht im gleichen Geschäftsjahr getätigt, sieht das Gesetz die Bildung einer Rückstellung im Umfang der stillen Reserven vor. Aufgrund der obigen Ausführungen ist eine solche Rückstellung in der Regel innerhalb von zwei Jahren zur Abschreibung auf den neu angeschafften betriebsnotwendigen Vermögensgegenstand zu verwenden. Wird hingegen kein Ersatzobjekt gekauft oder werden die stillen Reserven nur teilweise für ein Ersatzobjekt benötigt, so ist die Rückstellung über die Erfolgsrechnung wieder aufzulösen (vgl. Beispiel 5).

Die Rechnungslegungsvorschriften des Obligationenrechts stehen der vorerwähnten Rückstellung im Umfang der realisierten stillen Reserven nicht entgegen, da einerseits Art. 960e Abs. 4 OR explizit vorsieht, dass nicht mehr begründete Rückstellungen nicht aufgelöst werden müssen und andererseits über die handelsrechtlich notwendigen Rückstellungen hinaus aus steuerlichen Gründen weitere Rückstellungen sachgerecht sein können.

 

4  Grundsatz zum Umfang des Steueraufschubs

Der Steueraufschubtatbestand der Ersatzbeschaffung liegt nur vor, wenn der in das Ersatzobjekt reinvestierte Betrag den Buchwert des veräusserten Anlageguts übersteigt. Dabei darf der Buchwert des Ersatzobjektes im Endergebnis nicht tiefer sein als jener des ersetzten Anlageguts.

4.1.  Beispiele Ersatzbeschaffung

Beispiel 3 - Ersatzbeschaffung bei vollständiger Reinvestition:

Ein Getränkehersteller ersetzt eine seiner Abfüllanlagen. Die alte Anlage mit einem Buchwert von CHF 60‘000 kann noch für CHF 110‘000 verkauft werden. Der Preis für die neue Anlage beträgt CHF 250‘000.

Lösung:
Verkaufserlös für alte AnlageCHF 110‘000
Buchwert der alten Anlage
CHF  60'000
Kapitalgewinn (= max. Abschreibung)CHF  50'000
Reinvestition in neue AnlageCHF 250‘000
Abschreibung im Umfang des Kapitalgewinns (= steuerlicher Aufschub wegen Ersatzbeschaffung)CHF  50'000
Buchwert der neuen AnlageCHF 200‘000

 

Beispiel 4 - Ersatzbeschaffung bei teilweiser Reinvestition:

Eine Produktionsmaschine mit einem Buchwert von CHF 100‘000 wird für CHF 200‘000 verkauft. Als Ersatz wird eine Maschine zum Preis von CHF 150‘000 gekauft.

Lösung:
Verkaufserlös für alte ProduktionsmaschineCHF200‘000
Buchwert der alten Produktionsmaschine

CHF

100‘000
KapitalgewinnCHF100‘000
Reinvestition in neue ProduktionsmaschineCHF150‘000
Abschreibung bis zum Buchwert der alten Produktionsmaschine von CHF 100‘000CHF50‘000
Buchwert neue Produktionsmaschine

100‘000

Es verbleibt demzufolge ein steuerbarer Gewinn aus der Veräusserung der alten Produktionsmaschine von CHF 50‘000 (realisierte stille Reserven von CHF 100‘000 abzüglich die in Form der Ersatzbeschaffung als Abschreibung auf die neue Maschine übertragbaren stillen Reserven von CHF 50‘000).

Beispiel 5 - Ersatzbeschaffung nicht im gleichen Geschäftsjahr:

Herr Müller betreibt ein Transportunternehmen mit Sitz im Kanton Solothurn. Er veräussert in der Steuerperiode 2015 eine Seilwinde für CHF 30‘000 (Buchwert CHF 10‘000). In der Höhe des Kapitalgewinns von CHF 20‘000 bildet er eine Ersatzbeschaffungsrückstellung. In der Steuerperiode 2017 erwirbt er für sein Unternehmen eine neue EDV-Anlage sowie Software zum Preis von CHF 20‘000.

Lösung:
Steuerperiode 2015CHF30‘000
Verkaufserlös für SeilwindeCHF10'000
Buchwert der SeilwindeCHF20‘000
KapitalgewinnCHF20‘000
Rückstellung für ErsatzbeschaffungCHF         0
Steuerbarer Ertrag aus TransaktionCHF20‘000
Steuerperiode 2017CHF10‘000
Reinvestition in EDV-Anlage und SoftwareCHF10‘000
Abschreibung bis zum Buchwert der Seilwinde von CHF 20‘000CHF10‘000
Buchwert EDV-Anlage und SoftwareCHF
Auflösung Rückstellung (steuerwirksam)CHF

Im Ausmass von CHF 10‘000 wurde der Kapitalgewinn nicht in ein Ersatzobjekt investiert, weshalb darauf die Besteuerung erfolgt.

 

5  Direkte Bundessteuer

Die Regelung bei der direkten Bundessteuer ist identisch.