Leibrenten und Einkünfte aus Verpfründung

 

Gesetzliche Grundlagen
§ 29 Abs. 2 StG
Art. 22 Abs. 3 DBG

 

Inhalt

1             Begriff der Leibrente

 21.1          Allgemeines

21.2          Leibrentenversicherung

 21.3          Keine Leibrenten

 31.4          Zeitrenten

 32             Besteuerung von Leibrenten

 42.1          Allgemeines

42.2          Sonderformen

 42.2.1      Temporäre Leibrente

 42.2.2      Leibrente mit garantierten Renten

 52.3          Rückkauf und Prämienrückgewähr

53             Einkünfte aus Verpfründung

 63.1          Begriff

63.2          Besteuerung

 74             Direkte Bundessteuer

 

71             Begriff der Leibrente

1.1         Allgemeines

Der Begriff der Leibrente ist eigentlich unspezifisch; der Zusatz «Leib-» bringt bloss zum Ausdruck, dass die Zahlung der Rente vom Leben einer Person abhängt. In diesem Sinne wären auch AHV-Renten oder lebenslängliche Renten, die eine Haftpflichtversicherung ausrichten muss, als Leibrenten zu bezeichnen. Als Leibrenten gemäss § 29 Abs. 2 StG sind indessen nur solche im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Dabei handelt sich es um einen Vertrag gemäss Art. 516 ff. OR, in dem sich der Rentenschuldner zur Zahlung einer Rente an den Rentengläubiger verpflichtet (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, N 55 ff. zu Art. 22 DBG; auch zum Folgenden). Die Dauer der Rente kann vom Leben der einen oder andern Vertragspartei (in der Regel des Rentengläubigers) oder gar einer Drittperson abhängen. Das Recht auf die Rente kann der Rentengläubiger unentgeltlich erworben haben, z.B. mit einer Schenkung oder durch Erbschaft und Vermächtnis, oder aufgrund einer Gegenleistung. In beiden Fällen besteht die Leibrente zu einem wesentlichen Teil aus der Rückzahlung eines Kapitals. Das Kapital ist dem Rentengläubiger entweder unentgeltlich zugewendet worden oder er hat es selbst aufgebracht. Das ist der Grund für die reduzierte Besteuerung der Leibrente.

Der Leibrentenvertrag als Rechtsgeschäft unter Privatpersonen ist wegen seines aleatorischen Charakters (die Leistungen sind nicht vorhersehbar) selten geworden. Vereinzelt erscheint die Leibrente als erbrechtliche Zuwendung oder beim Verkauf einer Liegenschaft oder eines Geschäftes gegen Rente.

1.2         Leibrentenversicherung

Praktisch relevant ist die Leibrente aufgrund eines Versicherungsvertrages gemäss VVG. Hier verpflichtet sich der Versicherer gegen Zahlung von Prämien, der versicherten Person ab einem bestimmten Zeitpunkt oder Alter eine lebenslängliche, in der Regel gleich bleibende Rente bis zum Lebensende auszurichten (Absicherung des sog. Langleberisikos). Möglich sind sowohl periodische Prämien als auch eine Einmalprämie. Wird die erste Rente kurz nach Zahlung der Einmalprämie (Kapitalhingabe) fällig, spricht man von sofort beginnender Rente. Besteht zwischen der Zahlung der Prämie(n) und der ersten Rente eine Wartefrist, in der Regel von mehreren Jahren, handelt es sich um eine aufgeschobene Leibrente. Eine solche liegt naturgemäss bei periodischer Prämienzahlung vor.

Leibrentenversicherungen können sowohl mit als auch ohne Rückkaufsrecht abgeschlossen werden. Die Versicherung ist rückkaufsfähig, wenn die Begünstigten im Fall, dass die versicherte Person verstirbt, bevor die Renten die einbezahlten Prämien (Kapital plus Zinsen und allenfalls Überschüsse, abzüglich Risikoprämie und Kosten) verbraucht haben, die überschüssige Prämie zurückerhalten (sog. Prämienrückgewähr). Rückkaufsfähige Leibrentenversicherungen können sowohl während der Aufschubszeit als auch bei bereits laufender Rente zurückgekauft werden.

Für ergänzende Ausführungen zu den Versicherungsbegriffen kann auf StB SO § 31 Nr. 1 verwiesen werden.

1.3         Keine Leibrenten

Weil nicht selbst aus versteuertem Einkommen durch Kapitalhingabe finanziert, sind insbesondere die nachstehend aufgeführten Renten steuerlich nicht als Leibrenten zu behandeln. Einerseits handelt es sich um gesetzlich geregelte Sozialversicherungsrenten, bei denen die Prämien vollständig vom Einkommen abgezogen werden können. Anderseits geht es um reine Risikoversicherungen, bei denen die Leistungen keine Kapitalrückzahlungskomponente enthalten, oder um Leistungen Dritter, die nicht auf freiwilligen Zuwendungen beruhen (z.B. Haftpflichtversicherungen). Diese Renten sind – zum Teil aufgrund ausdrücklicher Bestimmungen – vollumfänglich steuerbar.

  • AHV- und IV-Renten,
  • Renten der beruflichen Vorsorge und der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a),
  • Unfall- und Militärversicherungsrenten,
  • Renten von Haftpflichtversicherungen,
  • Invaliditäts- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten aufgrund eigener Risikoversicherung,
  • Todesfall- oder Hinterbliebenenrenten.

Ergänzende Ausführungen zu den drei letztgenannten Arten von Renten finden sich in StB SO § 31 Nr. 1.

1.4         Zeitrenten

Als Zeitrenten werden periodisch wiederkehrende, zeitlich beschränkte und nicht auf das Leben einer Person abstellende Leistungen bezeichnet. Mit ihnen wird ein Kapital mit Zinsen innert einem bestimmten Zeitraum periodisch und in gleich bleibenden Raten zurückbezahlt, unabhängig vom Überleben oder vom Tod der berechtigten Person. Im Todesfall geht der Anspruch auf die Erben über. Die Zeitrente gilt deshalb nicht als Rente im Sinn von § 29 StG; insbesondere ist sie ebenfalls keine Leibrente. Begrifflich handelt es sich auch nicht um ein Versicherungs-, sondern um ein Finanzierungsgeschäft. Als Einkommen steuerbar ist deshalb nur die Zinsquote, nicht jedoch die Kapitalrückzahlung (KRKE 1965 Nr. 7; Urteil BGer vom 15.11.2001 in StE 2002 B 26.12 Nr. 6 Erw. 2 b mit weiteren Hinweisen). Wegen des abnehmenden Kapitals sinkt die Zinsquote jedoch von Jahr zu Jahr, wie am nachstehenden Beispiel einer fünfjährigen Zeitrente (nachschüssig zahlbar) zu sehen ist.

Jahr

(Rest-)Kapital

Zinssatz

Zins

Kapital + Zins

Zeitrente

1

90'000

5%

4'500

94'500

20'788

2

73'712

5%

3'686

77'398

20'788

3

56'610

5%

2'831

59'441

20'788

4

38'653

5%

1'933

40'586

20'788

5

19'798

5%

990

20'788

20'788

Total Zinsen bzw. Renten

13'940

103'940

 

Steuerbar ist jeweils der Zins als Ertrag aus beweglichem Vermögen gemäss § 26 Abs. 1 lit. a StG. Wenn der Steuerpflichtige bei der ersten Zeitrente keine genaue Berechnung der Zinsquote vorlegt, ist aus Gründen der Praktikabilität auf die Diskontierung zu verzichten und während der ganzen Laufzeit ein gleichbleibendes, durchschnittliches Zinsbetreffnis als Vermögensertrag zu besteuern (kein Methodenwechsel). Der steuerbare Zins pro Jahr berechnet sich demnach wie folgt:

Zins = jährliche Rente –

Anfangskapital

 

Anzahl Rentenjahre

 

Zins = 20‘788 –

90‘000

= 20‘788 – 18‘000

= 2‘788

5

Zeitrenten können auch durch periodische Prämien finanziert werden. In diesem Fall entspricht das Anfangskapital der Summe aller Prämien. Gelegentlich werden Leistungen aus Kapitalversicherungen als Zeitrenten ausbezahlt. Dann ist die Versicherungssumme als Anfangskapital einzusetzen.

 

2             Besteuerung von Leibrenten

2.1         Allgemeines

Leibrenten werden zu 40 % als Einkommen besteuert. Die gesetzliche Regelung geht dabei davon aus, dass sich die Leibrente aus einem Teil Kapitalrückzahlung und aus einem Teil Ertrag zusammensetzt. Die Kapitalrückzahlung ist blosse Umschichtung des bereits einmal versteuerten Vermögens und folglich steuerfrei. Steuerbar ist nur die Ertragskomponente, die aus Gründen der Praktikabilität schematisch auf 40% festgelegt wurde. Ob der Ertragsanteil im Einzelfall höher oder geringer als 40 % ist, bleibt unerheblich (vgl. BGE 135 II 183 Erw. 4.3 und 4.4). Die Besteuerung zu 40 % gilt auch für die Überschussanteile, die zusammen mit der Leibrente ausgerichtet werden. Denn sie machen einen Teil der Ertragskomponente aus (BGE 130 I 205 Erw. 7.6.6 mit Hinweisen).

2.2         Sonderformen

2.2.1     Temporäre Leibrente

Wie erwähnt handelt es sich bei Leibrenten in der Regel um Renten, die lebenslänglich ausgerichtet werden, d.h. solange der Rentengläubiger lebt. Sie können indessen auch zeitlich befristet werden. Bei der sog. temporären Leibrente endet die Leistung beim Tod der versicherten Person, spätestens aber am Ende der vereinbarten Laufzeit, je nach dem, was eher eintritt. Die temporäre Leibrente wird grundsätzlich gleich besteuert wie eine lebenslängliche, also zu 40%. Voraussetzung ist jedoch, dass aufgrund des Alters eine gewisse Wahrscheinlichkeit des vorzeitigen Versterbens besteht. Andernfalls liegt faktisch eine "Zeitrente" vor. Eine solche auf eine bestimmte Zeit oder bis zu einem bestimmten Alter zu bezahlende Rente ist indessen keine Leibrente. Es handelt sich um eine reine Kapitalanlage, bei der ein um den Ertragsanteil (Zinsanteil) vermehrtes Kapital in Raten zurückbezahlt wird. Steuerbar ist nur die Ertragskomponente gemäss § 26 Abs. 1 lit. a StG. Deshalb wird bei temporären Leibrenten mit Rückgewähr, deren Laufzeit fünf Jahre oder weniger beträgt und die höchstens bis zur Vollendung des 65. Altersjahres der versicherten Person laufen, wie bei einer Zeitrente nur die Zinskomponente besteuert (BGE 135 II 183 Erw. 3.2 und 4.5; Schweizerische Steuerkonferenz, Vorsorge und Steuern, Anwendungsfälle zur beruflichen Vorsorge und Selbstvorsorge, Anwendungsfall C.2.2.1).

Zur Besteuerung von Zeitrenten, siehe vorne Ziffer 1.4.

2.2.2     Leibrente mit garantierten Renten

Bei der Leibrente mit garantierten Renten handelt sich um eine rückkaufsfähige, lebenslange Rentenversicherung. Der Versicherer garantiert (nach Ablauf der Aufschubszeit) eine Rente während einer bei Vertragsabschluss vereinbarten Zeit, und zwar auch dann, wenn die versicherte Person vor Ablauf der garantierten Laufzeit sterben sollte. In diesem Fall werden die restlichen garantierten Renten den Begünstigten, bei deren Fehlen den Erben, ausbezahlt. Sofern der Rentner das Ende der garantierten Laufzeit erlebt, fliesst im Anschluss daran eine Leibrente. Das Produkt wird zum Teil als Kombination von Zeitrente und anschliessender Leibrente dargestellt. Die garantierte Rente ist steuerlich einheitlich als Leibrente zu behandeln und zu 40% als Einkommen zu versteuern. Das gilt auch für die Begünstigten und Erben im Todesfall. Eine Aufteilung in eine Zeitrente (Besteuerung nur der Zinskomponente) und in eine spätere Leibrente wird nicht vorgenommen (Urteil BGer vom 15.11.2001 [nicht im Internet], publiziert in StE 2002 B 26.12 Nr. 6).

2.3         Rückkauf und Prämienrückgewähr

Rückkaufsfähige Leibrentenversicherungen können sowohl während der Aufschubszeit (nur aufgeschobene Renten, siehe Ziffer 1.2) als auch bei bereits laufender Rente zurückgekauft werden. Für Kapitalleistungen bei Rückkauf sowie für die Rückgewähr im Todesfall ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu differenzieren, ob die Versicherung im konkreten Fall der Vorsorge dient (BGE 135 II 183 und 135 II 195). Zu besteuern ist entsprechend der nachstehenden Grafik unterschiedlich (vgl. Praxishinweis der SSK vom 27.10.2009: Besteuerung von Kapitalleistungen aus Leibrentenversicherungen [Säule 3b], abrufbar unter: www.steuerkonferenz.ch/Dokumente/Merkblätter und Praxishinweise; publiziert auch in: Schweizerische Steuerkonferenz, Vorsorge und Steuern, Anwendungsfälle zur beruflichen Vorsorge und Selbstvorsorge, Register 7/3). Nicht entscheidend ist, ob die Leibrente mit periodischen oder mit Einmalprämie finanziert worden ist. 

Die Besteuerung des Rückkaufskapitals oder der Prämienrückgewähr erfolgt in den verschiedenen Fällen wie folgt:

Rückkauf während der Aufschubszeit, nach weniger als fünf Jahren Laufzeit oder vor Vollendung des 60. Altersjahres oder bei Vertragsabschluss nach Vollendung des 66. Altersjahres (wenn eines oder mehrere Kriterien der Vorsorge nach § 26 Abs. 1 lit. a StG nicht erfüllt sind): Steuerbar ist der Ertragsanteil, d.h. die Differenz zwischen der Auszahlung und der Einmalprämie bzw. der Summe der Prämien. Dieser wird zusammen mit dem übrigen Einkommen zum ordentlichen Steuersatz besteuert (§ 26 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 21 Abs. 1 StG). Die Besteuerung zum Rentensatz gemäss § 46 StG ist ausgeschlossen.

Rückkauf während der Aufschubszeit, nach fünf oder mehr Jahren Laufzeit und nach Vollendung des 60. Altersjahres und Vertragsabschluss vor Vollendung des 66. Altersjahres (wenn alle drei Kriterien der Vorsorge nach § 26 Abs. 1 lit. a StG erfüllt sind): Steuerbar sind 40% der Rückkaufssumme. Die Besteuerung erfolgt getrennt vom übrigen Einkommen zum Vorsorgetarif (1/4 des ordentlichen Einkommenssteuertarifs; § 47 StG; vgl. die Ausführungen in StB SO § 47 Nr. 1).

Rückkauf nach Beginn des Rentenlaufs (sofort beginnende oder aufgeschobene Rente): Steuerbar sind 40% der Rückkaufssumme. Die Besteuerung erfolgt getrennt vom übrigen Einkommen zum Vorsorgetarif (1/4 des ordentlichen Einkommenssteuertarifs; § 47 StG; vgl. die Ausführungen in StB SO § 47 Nr. 1).

Prämienrückgewähr im Todesfall (während Aufschubszeit oder bei bereits laufenden Renten; inkl. allfällige Überschussbeteiligung): Steuerbar sind 40% der Prämienrückgewähr. Die Besteuerung erfolgt getrennt vom übrigen Einkommen zum Vorsorgetarif (1/4 des ordentlichen Einkommenssteuertarifs; § 47 StG; vgl. die Ausführungen in StB SO § 47 Nr. 1). Steuerpflichtig sind die Begünstigten, wenn die Leibrentenversicherung mit Begünstigung abgeschlossen worden ist. Andernfalls fällt die Prämienrückgewähr in den Nachlass; dann sind die Erben steuerpflichtig. Die übrigen 60% der Prämienrückgewähr, die nicht als Einkommen besteuert werden, unterliegen der Nachlasstaxe und der Erbschaftssteuer (BGE 131 I 409; §§ 217 und 223 StG).

Rückkauf der garantierten Renten im Todesfall (Ziffer 2.2.2): Die Rückkaufssumme wird gleich besteuert wie die Prämienrückgewähr im Todesfall (siehe vorne).

 

3             Einkünfte aus Verpfründung

3.1         Begriff

Durch den Verpfründungsvertrag verpflichtet sich der Pfründer, dem Pfrundgeber ein Vermögen oder einzelne Vermögenswerte (z.B. ein landwirtschaftliches Heimwesen) zu übertragen, und dieser, dem Pfründer Unterhalt und Pflege auf Lebenszeit zu gewähren (Art. 521 Abs. 1 OR). Dazu gehören neben der Wohnung auch Nahrung und Bekleidung sowie ein angemessenes Taschengeld und im Krankheitsfall die nötige Pflege und ärztliche Behandlung (Art. 524 OR). Der Pfrundgeber hat damit überwiegend Naturalleistungen zu erbringen.

Die Verpfründung ist mit dem Ausbau der Sozialversicherungen nahezu bedeutungslos geworden. Sie kommt gelegentlich noch in landwirtschaftlichen Verhältnissen vor.

3.2         Besteuerung

Einkünfte aus Verpfründung sind zu 40% steuerbar. Für die Bemessung der Naturaleinkünfte kann auf die Steuerverordnung Nr. 14 «Bewertung der Naturalbezüge bei unselbständiger Erwerbstätigkeit» (BGS 614.159.14) verwiesen werden. Danach sind folgende Werte anwendbar:

 

CHF/Monat

CHF/Jahr

Volle Verpflegung

645

7’740

Unterkunft (ein Zimmer)

345

4’140

Kleidung, Wäsche, Schuhe inkl. Unterhalt

80

960

 

Steht dem Pfründer mehr als ein Zimmer, sondern eine Wohnung zur Verfügung, ist der ortsübliche Mietzins einzusetzen. Für die ärztliche Behandlung kann generell auf die kantonale Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenversicherung abgestellt werden (2018: CHF 458.00/Monat, CHF 5'496.00/Jahr).

 

4             Direkte Bundessteuer

Die Regelung bei der direkten Bundessteuer ist grundsätzlich identisch.

Im Unterschied zur Staatssteuer entspricht der Vorsorgetarif 1/5 der ordentlichen Einkommenssteuertarife (Art. 38 DBG).