Rückkaufsfähige Kapitalversicherung

 

Gesetzliche Grundlagen
§ 32 lit. b StG
Art. 24 lit. b DBG

 

Weitere Grundlagen

  • Kreisschreiben ESTV Nr. 24 1995/96 vom 30.06.1995: Kapitalversicherungen mit Einmalprämie
  • Rundschreiben ESTV vom 01.05.2007: Prüfungsverfahren zur Qualifikation von rückkaufsfähigen privaten Kapitalversicherungen (Säule 3b) gemäss Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 24 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer

 

Inhalt

1             Allgemeines
2             Voraussetzungen für die Steuerfreiheit
3             Besondere Versicherungsformen
3.1          Index- und fondsgebundene Kapitalversicherungen
3.2          Secondhand-Policen
4             Direkte Bundessteuer
5             Erbschafts- und Schenkungssteuer

 

1             Allgemeines

Die generelle Steuerfreiheit von Zahlungen aus rückkaufsfähiger privater Kapitalversicherung stammt aus der Zeit, als die Alters- und Hinterlassenenvorsorge weitestgehend dem privaten Entscheid der Bürger anheimgestellt war, und bezweckt deren Förderung. Sachlich richtig ist die Steuerbefreiung insoweit, als diese Leistungen grösstenteils ohnehin steuerfreie Rückzahlungen des in Form von Prämien einbezahlten Kapitals darstellen. Diese können nicht bzw. nur im beschränkten Mass des Versicherungsprämienabzuges steuerlich abgezogen werden (§ 41 Abs. 2 und 3 StG). Im Ergebnis ist die steuerliche Begünstigung von Lebensversicherungen auf die Zins- und Gewinnanteilskomponente der Versicherungsleistung begrenzt.

Allgemeine Ausführungen zu Lebensversicherungen mit der Umschreibung von Begriffen und mit Unterscheidungsmerkmalen finden sich in StB SO § 31 Nr. 1.

 

2            Steuerfreie Versicherungsleistungen

2.1         Voraussetzungen

Versicherungsleistungen sind einkommenssteuerfrei, wenn sie die folgenden drei Voraussetzungen erfüllen:

  • Es muss sich um eine Kapital(lebens)versicherung handeln,
  • die rückkaufsfähig und
  • privater Natur ist.

Eine Kapitalversicherung liegt vor, wenn der Versicherer beim Eintritt des versicherten Ereignisses die Leistung in Kapitalform auszurichten hat. In der Regel zahlt er unter einem Mal, manchmal auch in mehreren Raten. Die ratenweise Zahlung der Versicherungsleistung ändert nichts an der Qualifikation als Kapitalversicherung, wenn sie als solche abgeschlossen worden ist. Umgekehrt gilt eine Versicherung, in der sich der Versicherer zur Leistung einer lebenslänglichen oder zeitlich befristeten Rente verpflichtet hat, als Rentenversicherung, auch wenn die versicherte oder begünstigte Person statt der Rente ein Kapital bezieht. Denn technisch lässt sich jedes Kapital in eine Rente und jede Rente in ein Kapital umrechnen (Schaetzle/Weber, Kapitalisieren, Handbuch zur Anwendung der Barwerttafeln, Zürich 2001, S. 2 f.).

Rückkaufsfähig sind Versicherungen, die mit einem Sparvorgang verbunden, also kapitalbildend sind, nicht jedoch die reinen Risikoversicherungen. Es handelt sich um eine Besonderheit von Lebensversicherungen, die nur bei diesen anzutreffen ist (Richner/Frei/ Kaufmann/Meuter, N 45 zu Art. 24 DBG). Vorausgesetzt ist, dass der Eintritt des versicherten Ereignisses gewiss ist. Das trifft bei folgenden Kapitalversicherungen zu:

  • Lebenslange Todesfallversicherung: Die Leistung erfolgt beim Tod der versicherten Person, ungeachtet wann er eintritt.
  • Erlebensfallversicherung mit Rückgewähr: Das Versicherungskapital wird ausgerichtet, wenn die versicherte Person das Ende der Vertragsdauer erlebt; wenn nicht, erhalten die Begünstigten die bezahlten Prämien (nach Abzug der Kosten) zurück. Eine Kapitalversicherung im Sinne der Risikoabdeckung liegt hier aber nur vor, wenn die Finanzierung mit periodischen Prämien erfolgt und die Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit mitversichert ist (Urteil BGer vom 18.05.1993 in ASA 62, 705 ff.; siehe Ziffer 2.3).
  • Gemischte Versicherung: Der Versicherer muss sowohl im Erlebensfall als auch im Todesfall eine Leistung erbringen. Es handelt sich um die Kombination einer Erlebensfall- mit einer Todesfallrisikoversicherung.
  • Terme-fixe-Versicherung (Versicherung auf festen Termin): Die Versicherungssumme ist im vertraglich bestimmten Zeitpunkt zu leisten, egal ob der Versicherte dann noch lebt oder ob er bereits früher verstorben ist. Eine Versicherung im Sinne der Risikoabdeckung liegt hier nur vor, wenn die Finanzierung mit periodischen Prämien erfolgt, solange der Versicherungsnehmer lebt (KS ESTV 1995/96 Nr. 24 vom 30.06.1995; S. 3).

Mit dem Rückkaufsrecht kann der Versicherte den Versicherungsvertrag einseitig aufheben und das Deckungskapital in der Höhe des Rückkaufswertes geltend machen.

Die private Versicherung ist einerseits abzugrenzen von der öffentlichen Versicherung. Erstere beruht auf einer vertraglichen Vereinbarung nach OR oder VVG, letztere auf einer gesetzlichen Regelung, wie das bei den Sozialversicherungen (AHV, IV, berufliche Vorsorge usw.) der Fall ist. Abzugrenzen ist sie anderseits auch von der geschäftlichen Versicherung, die zwar ebenfalls auf eine vertragliche Vereinbarung abstellt, aber in erster Linie geschäftlichen Zwecken und nicht der privaten Vorsorge dient (ausführlich mit weiteren Hinweisen: StB SO § 31 Nr. 1).


2.2         Einschränkungen

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sind die Leistungen im Todesfall von der Einkommenssteuer befreit. Im Erlebensfall und beim Rückkauf gilt dies uneingeschränkt nur für Versicherungen mit periodischen Prämien. Lebensversicherungen, die mit Einmalprämie finanziert werden, müssen im Erlebensfall und beim Rückkauf zusätzlich der Vorsorge dienen, damit sie steuerfrei bleiben (Vorbehalt von § 26 Abs. 1 lit. a StG). Das trifft zu, wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • der Versicherte hat bei der Auszahlung der Versicherungsleistung das 60. Altersjahr vollendet,
  • das Vertragsverhältnis hat mindestens fünf Jahre gedauert und
  • ist vor Vollendung des 66. Altersjahres des Versicherten begründet worden.

Andernfalls ist die Differenz zwischen dem ausbezahlten Kapital und der Einmalprämie als Ertrag aus beweglichem Vermögen zu versteuern (ausführlicher, insbesondere auch zum Übergangsrecht, siehe StB SO § 26 Nr. 1).

In der gemischten Versicherung wird oft ein zusätzliches Todesfallkapital versichert. Beispielsweise wird bei Unfalltod ein doppeltes Todesfallkapital ausgerichtet oder die Versicherungssumme ist im Todesfall generell höher als im Erlebensfall. Im Grunde genommen handelt es sich bei der Versicherung des zusätzlichen Todesfallkapitals um eine nicht rückkaufsfähige Todesfallrisikoversicherung. Dennoch bleibt es steuerfrei (BGE 130 I 205 Erw. 7.6.5 und 10.3). Vorbehalten bleibt die Besteuerung im Falle einer Steuerumgehung, wenn das Erlebensfallkapital bloss einen Bruchteil (1/5 oder weniger) des Todesfallkapitals beträgt. Dann ist dieses als einmalige Zahlung bei Tod gemäss § 31 lit. b StG zu versteuern, wird aber aufgrund von § 47 StG getrennt vom übrigen Einkommen zum Vorsorgetarif besteuert.


2.3         Ausnahmen

Von der Steuerbefreiung ausdrücklich ausgenommen ist der Vermögensanfall aus Freizügigkeitspolicen. Denn Freizügigkeitsleistungen sind den Leistungen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge gemäss § 30 Abs. 1 StG gleichgestellt, da Freizügigkeitspolicen – wie Freizügigkeitskonti – dazu dienen, den Vorsorgeschutz der beruflichen Vorsorge zu erhalten (Art. 27 BVG; Art. 4 FZG; Art. 10 FZV). Sie sind gemäss § 30 StG steuerbar, als Kapitalleistungen gesondert vom übrigen Einkommen zum gemilderten Vorsorgetarif (§ 47 StG).

Bei der Erlebensfallversicherung mit Rückgewähr deckt der Versicherer kein massgebliches Risiko, weil er im Erlebensfall das angesparte Kapital mit Zinsen und Überschussanteilen ausrichtet, beim vorzeitigen Tod jedoch die Prämien, allenfalls sogar mit Überschussanteilen, zurückerstattet. Ein Risikoschutz besteht nur bei periodischen Prämien, wenn die Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit mitversichert ist. Ähnlich verhält es sich bei der Terme-fixe-Versicherung, wenn die Prämien vollständig zu begleichen sind (Einmalprämie oder Pflicht zur Prämienzahlung über den Tod der versicherten Person hinaus). Obwohl es sich um Leistungen von rückkaufsfähigen privaten Kapitalversicherungen handelt, sind sie in diesen Fällen nicht steuerfrei. Die Differenz zwischen dem ausbezahlten Kapital und der Summe der Prämien ist steuerbarer Vermögensertrag gemäss § 26 Abs. 1 lit. a StG.

 

3            Besondere Versicherungsformen

3.1         Index- und fondsgebundene Kapitalversicherungen

Die gemischte Lebensversicherung wird in jüngerer Zeit auch als index- oder fondsgebundene Kapitalversicherung, oft über Einmalprämien finanziert, angeboten. Bei den konventionellen Lebensversicherungsprodukten garantieren die Versicherer jederzeit während der ganzen Vertragsdauer die Leistungen sowohl für den Todes- als auch für den Erlebensfall. Im Todesfall bleiben die Leistungen auch bei diesen neueren Produkten garantiert, im Erlebensfall fehlt die Garantie jedoch ganz oder teilweise.

  • Bei den anteilgebundenen Versicherungen wird der Sparteil der Prämie in Anlagefonds investiert, so dass der Kunde, also der Versicherungsnehmer, das Anlagerisiko trägt, das bei konventionellen Produkten beim Versicherer liegt.
  • Bei der indexgebundenen Lebensversicherung wird in der Regel im Erlebens- und im Todesfall eine Mindestleistung garantiert. Der Sparteil, mindestens aber dessen Verzinsung, ist an einen Börsenindex, in der Regel an einen Aktienindex gekoppelt, so dass die tatsächliche Leistung von der Entwicklung des zu Grunde liegenden Indexes abhängt.

Die index- und fondsgebundenen Versicherungen sind gemischte Versicherungen und sind grundsätzlich steuerlich als solche, d.h. als rückkaufsfähige private Kapitalversicherungen, zu behandeln. Werden sie jedoch mit Einmalprämie finanziert, müssen sie höhere Anforderungen erfüllen, damit sie als der Vorsorge dienend anerkannt werden. Zur Verminderung des Anlagerisikos müssen sie mindestens für eine Vertragsdauer von 10 Jahren abgeschlossen werden, damit sie als der Vorsorge dienend anerkannt werden. Zusätzlich müssen sie über einen angemessenen Risikoschutz verfügen, was von der ESTV geprüft wird (Rundschreiben ESTV vom 01.05.2007; Schweizerische Steuerkonferenz, Vorsorge und Steuern, Anwendungsfälle zur beruflichen Vorsorge und Selbstvorsorge, Register 7/5). Sind die übrigen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt (Auszahlung nach Vollendung des 60. und Abschluss vor Vollendung des 66. Altersjahres) sind die Leistungen der steuerlich als privilegiert beurteilten Lebensversicherungen steuerfrei (siehe die jährlich nachgeführte Liste der ESTV der rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen der Säule 3b, abrufbar unter den Rundschreiben der ESTV). Andernfalls ist die Differenz zwischen Kapital und Einmalprämie als Ertrag aus beweglichem Vermögen zu versteuern (§ 26 Abs. 1 lit. a StG).


3.2         Secondhand-Policen

Auch in der Schweiz besteht in einem gewissen Umfang ein Markt für sogenannte Secondhand-Policen. Dabei handelt es sich um Lebensversicherungspolicen britischer oder amerikanischer Versicherungsnehmer, die diese aber nicht mehr benötigen (ausführlich dazu: Schweizerische Steuerkonferenz, Vorsorge und Steuern, Anwendungsfälle zur beruflichen Vorsorge und Selbstvorsorge, Register 7/2). In aller Regel geht es um eine Kapitalanlage und nicht um die Absicherung eines Risikos, jedenfalls nicht um die eigene Vorsorge. Deshalb sind die Leistungen der Versicherer nach Abzug der für die Police getätigten Aufwendungen als steuerbarer Vermögensertrag zu qualifizieren (siehe StB SO § 26 Nr. 1).

Britische Lebensversicherungen können rückkaufsfähig sein. Ihr Rückkaufswert ist jedoch meist sehr gering, weshalb der Rückkauf bei der Versicherung ein schlechtes Geschäft darstellt. Im Unterschied zur Schweiz besteht jedoch die Möglichkeit, solche angesparten Policen zu handeln (Traded Endowment Policies, TEPs). TEPs werden nur dann als private rückkaufsfähige Kapitalversicherung anerkannt, deren Leistungen steuerfrei sind, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass

  • der britische Versicherungsnehmer die Versicherung an ihn abgetreten,
  • ihm die Originalpolice übergeben,
  • die Abtretung dem Versicherer angezeigt hat (Art. 73 VVG),
  • die Prämienrechnung auf ihn als neuen Versicherungsnehmer lautet und ausserdem
  • der Versicherer weiterhin ein Risiko trägt, also die Leistung auch beim Tod der versicherten (britischen) Person und nicht nur bei Vertragsablauf erbringt.

Bei den US-amerikanischen Secondhand-Policen handelt es sich in der Regel um lebenslängliche Todesfallversicherungen, die im Unterschied zur Schweiz jedoch nicht rückkaufsfähig sind. Auch hier handelt es sich um ein Anlagegeschäft, so dass die Differenz zwischen Versicherungssumme und dem investierten Betrag als Vermögensertrag zu versteuern ist (§ 26 Abs. 1 lit. a StG).

 

4             Direkte Bundessteuer

Die Regelung bei der direkten Bundessteuer ist deckungsgleich.

 

5             Erbschafts- und Schenkungssteuer

Soweit Kapitalleistungen aus Versicherungen, die zufolge Todes fällig werden, nicht als Einkommen steuerbar sind, unterliegen sie der Nachlasstaxe (§ 217 Abs. 2 StG). Versicherungsansprüche, die zufolge Todes übergehen, sind, soweit sie nicht als Einkommen steuerbar sind, ausserdem Gegenstand der Erbschaftssteuer (§ 223 Abs. 2 StG). Als Schenkung steuerbar ist schliesslich die Zuwendung von Versicherungsansprüchen zu Lebzeiten (§ 233 Abs. 2 StG). Ausführlicher dazu: Die Praxis der Erbschafts- und Schenkungssteuern (abrufbar unter: steueramt.so.ch / Sondersteuern / Erbschafts-, Schenkungs- und Handänderungssteuer).